Klavierkonzert d-moll KV 466

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t1 Konzertführer
Wolfgang Amadeus Mozart
Klavierkonzert d-moll KV 466

Das Konzert in d-moll KV 466 komponiert Mozart unter größtem Zeitdruck Anfang Februar 1785 und führt es selber am 11. Februar in der Wiener ‚Mehlgrube‘ vor 150 zahlenden Subskribenten auf. Sein Vater, der unter den Zuhörern sitzt, schreibt drei Tage später an seine Tochter Marianne: „Dann war noch ein vortreffliches Klavierkonzert von Wolfgang, wo der Copist, da wir ankamen, nach daran abschrieb und Dein Bruder das Rondo noch nicht einmal durchzuspielen Zeit hatte, weil er die Copiatur übersehen mußte.“ Die Partitur verrät indes nichts von diesen äußeren Umständen, es ist vielleicht das kompakteste, gewiss das populärste Solokonzert, das er schrieb. Freilich markiert kein anderes Konzert so deutlich Mozarts Abkehr von der gefälligen Gebrauchsmusik. Die für ein Klavierkonzert ungewöhnliche Tonart d-moll – bei Mozart stets die Tonart dunkler Leidenschaft, schicksalhafter Fügung und des Todes – ist nur ein äußeres Indiz für den Stimmungsumschwung, den Mozart in der zuvor eher unterhaltenden Gattung einleitet. Zweifellos war dies der entscheidende Anstoß zur weiteren Entwicklung des Klavierkonzerts im 19. Jahrhundert. Von hier aus ist es nur ein Schritt zum bürgerlichen, romantischen Klavierkonzert.

Zum ersten Mal gibt es in einem Klavierkonzert stimmungsmäßige, atmosphärische Elemente. Der erste Satz besitzt strenggenommen kein richtiges ‚Thema‘, so wie man es aus den meisten Dur-Konzerten kennt, sondern nur kurze, abgebrochene Gesten und Motive, die der alten Figuren-Welt der opera seria entlehnt zu sein scheinen, hier aber plötzlich dramatisches Eigenleben entwickeln. Den berühmten Beginn des Konzerts mit den vielen grollenden Schleiferfiguren könnte man durchaus als stilisierte Schilderung eines allmählich herannahenden Unwetters mit Donner und Blitz deuten, und als existentiellen Vorgang, der sich sowohl außerhalb der menschlichen Existenz, als schicksalhafte Fügung, als auch im Inneren des Menschen, als Gewitter der Seele, ereignet. Auch im zweiten Satz brechen schicksalhafte dunkle Mächte ohne jede Vorwarnung in die heiter-beschauliche Idylle der B-dur-Romanze ein: So instabil, so dünnwandig ist hier bereits die Hülle, die die Seele vor äußeren und inneren Angriffen schützt. Im dritten Satz geht Mozart sogar so weit, den Moll-Dur-Konflikt, gegen alle geltende Konvention, auf derselben Stufe, also auf D, auszutragen, wodurch der Konflikt von der Großform in das Innere der musikalischen Gestalt (das dritte Thema erklingt abwechselnd in Dur und Moll) verlagert wird. Die tonartliche Identität der Gestalt wie auch des ganzen Satzes, der in Moll beginnt, aber in Dur endet, ist damit in Frage gestellt. Die Spaltung der Seele scheint hier bereits vollzogen. Das erotische Zeitalter weicht dem romantischen.
Attila Csampai

© Csampai / Holland: Der Konzertführer. Rowohlt Verlag.