Coriolan op. 62 (1807)

Zurück
t1 Konzertführer
Ludwig van Beethoven
Coriolan op. 62 (1807)

Beethoven schrieb diese Ouvertüre zu dem Trauerspiel Coriolan des österreichischen Schriftstellers Heinrich Joseph von Collin (1772-1811), mit dem er befreundet war. Coriolan, ein römischer Patrizier, der wegen seiner Volksfeindlichkeit verbannt worden ist, verbündet sich mit den Feinden Roms und belagert die Stadt, die dem Ansturm zu erliegen droht. Alle Vermittlungsversuche scheitern, aber schließlich gelingt es der Mutter Coriolans und seiner Ehefrau, ihn umzustimmen. Rom entgeht der Erstürmung, Coriolan aber gibt sich den Tod. Es ist verlockend, in dem außerordentlich prägnanten Kontrast der Hauptthemen der Ouvertüre, der das Werk bestimmt, die dramatische Szene der Auseinandersetzung zwischen Coriolan und den beiden Frauen dargestellt zu sehen, wie es Richard Wagner in seiner Programmatischen Erläuterung 1852 tat. Ohne Frage wird der Kontrast der Themen zunehmend verschärft – der Hauptthemakomplex sinkt durch die Wendung nach g-moll am Ende der Exposition und die Reprise in f-moll (!) gleichsam in noch dunklere Regionen ab – Grundtonart ist c-moll – , während das lyrisch-kantable Seitenthema in der Reprise ins lichte C-dur aufsteigt; auch der tragische Ausgang ist unmissverständlich wiedergegeben durch das abrupte Abbrechen der Bewegung, die Verlangsamung und schließliche Auflösung der Motivik sowie den für Beethoven ganz ungewöhnlichen Pizzicato-Pianissimo-Schluss. Das deutliche Festhalten an der Sonatenform spricht freilich dafür, dass es Beethoven weniger um die Abbildung leibhaftiger Szenerie ging als um ein von äußerer Handlung unabhängiges Charakterbild.

Egon Voss

© Csampai / Holland: Der Konzertführer. Rowohlt Verlag.