Gottfried von Einem

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t1 Konzertführer
Gottfried von Einem
Gottfried von Einem

Bern, 24. Januar 1918 – Oberdürnbach, 12. Juli 1996

Als Gottfried von Einem 1980 um ein Motto zu dem ersten Gesamtverzeichnis seiner Werke gebeten wurde, antwortete er, er möge mit seiner Musik zum Denken, zum Empfinden anregen (wobei er beides synonym zu verstehen schien). Er suche die Wahrheit in der Schönheit und er wäre froh, wenn die Wirkung seiner Musik eine heilende wäre. Sein Wunsch nach Harmonie, dem oftmals jedoch durchaus Momente des Instabilen, des Bedrohlichen anzumerken sind und der gleichzeitig auf kunstreligiöse Momente des vergangenen Jahrhunderts zurückweist, hat gerade in der Nachkriegszeit eine heftige Auseinandersetzung um das Schaffen von Einems ausgelöst, die sich oftmals polemischer Züge nicht enthalten konnte. Zu Beginn der Weltkarriere von Einems, zu Beginn der sechziger Jahre, spöttelte ein Kritiker „Einem für alle – alle für Einem“ und attackierte damit den auf Anschaulichkeit und Publikumsinteresse zielenden Kompositionsstil von Einems. Man hat immer wieder das Wort ‚epigonal‘ zur Charakteristik seiner musikalischen Sprache herangezogen und meinte damit Idiome, die von Mahler und Puccini, von Strawinsky und von Blacher, aber auch vom Jazz her bekannt sind.

1918 in Bern geboren, wurde von Einem nach dem Besuch des (musischen) Internats in Plön Korrepetitor der Berliner Staatsoper und Assistent in Bayreuth. 1965 wurde er Professor an der Wiener Musikhochschule. Er erfüllte zahlreiche Aufgaben im Musikleben (so bei den Salzburger Festspielen und den Wiener Festwochen) und lebte in Rindlberg seinem kompositorischen Schaffen.

Von Einem ist ein universaler Komponist. Neben seinen vielbeachteten Opern ist die Orchestermusik in seinem Schaffen zentral. Es sind Instrumentalkonzerte (Klavier, Violine, Orgel), Ballette, Symphonische Szenen, Oratorien (An die Nachgeborenen zum 30. Jahrestag der UN, New York) und Symphonien (Philadelphia Symphonie), die von Einems Orientierung an ‚neoklassizistischen‘ Mustern demonstrieren. So zeigt etwa seine Wiener Symphonie von 1976 eine überaus fassliche formale Gestalt, die sich auf die Transparenz der verwendeten musikalischen Mittel gründet. Die Harmonik bewegt sich im Rahmen erweiterter Tonalität, die Viersätzigkeit lässt das klassische Ideal durchschimmern. Gar findet sich, nach den Einleitungstakten, eine bewusste Reminiszenz an den Themenkopf aus Beethovens fünfter Symphonie, zwar rhythmisch und intervallisch variiert, in seinen inhaltlichen Allusionen jedoch deutlich vernehmbar. Klangvolle Violinkantilenen, oftmals unisono, werden von rhythmischen Einwürfen unterbrochen, die Klangfarbe ist insgesamt stark an einem vollen Streicherklang orientiert. Der Zyklus als ganzer ist dem klassisch-romantischen Anspruch symphonischer Integration verpflichtet, er erstrebt auch über Brüche hinweg eine Einheit symphonischen Komponierens, die zumindest seit Mahler oder Karl Amadeus Hartmann als verloren demonstriert und auskomponiert wurde.

„Der Hörer gewinnt den Eindruck“, so schreibt Friedrich Saathen in seiner persönlich geprägten von Einem-Biographie, „dass Haydn, Mozart, Beethoven, Schubert, Bruckner, Mahler, wenn sie heute lebten, trotz Schönberg, Cage und Neuer Einfachheit genauso komponieren würden . . .“

Lothar Mattner

© Csampai / Holland: Der Konzertführer. Rowohlt Verlag.