Zweite Symphonie op. 16 (Die vier Temperamente)

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t1 Konzertführer
Carl Nielsen
Zweite Symphonie op. 16 (Die vier Temperamente)

Inspiriert von einem alten Holzschnitt, auf dem nach hippokratischer Lehre die menschlichen Leidenschaften verschiedenen Personen zugeordnet waren, entsteht Nielsens wohl populärste Symphonie, Die vier Temperamente (Uraufführung 1902). Trotz der Titelgebung darf sie nicht als Programmsymphonie verstanden werden, vielmehr ist unter dem Diktat der Satzbezeichnung jedem Satz die allgemeine Charakteristik eines Zustands aufgegeben. Konträr zum Allegro collerico, in dem rhythmische Variabilität und emotionale Spannweite individueller als noch für die erste Symphonie beschrieben, zornig und aufbrausend den Satz prägen, vermittelt der zweite Satz (Allegro comodo e flemmatico) den Eindruck unerschütterlicher Contenance – Inaktivität durch die Klänge von pastoraler Schönheit. Der sich mit gemächlich-ruhiger Schichtung zu pathetischer Größe steigernde melancholische Ton des Andante malincolico scheint durch die blutvolle instrumentale Schlagkraft des letzten Satzes (Allegro sanguineo) und dessen Marzialeschluss fast weggewischt.
Norbert Bolin

© Csampai / Holland: Der Konzertführer. Rowohlt Verlag.