Bläserkonzerte

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t1 Konzertführer
Wolfgang Amadeus Mozart
Bläserkonzerte

Verglichen mit der großen Zahl an Klavierkonzerten, die Mozart komponiert hat, nimmt sich die Zahl der Bläserkonzerte eher bescheiden aus. Worin mögen die Gründe liegen? Zum einen ist es naheliegend, dass Mozart für die von ihm selbst gespielten Instrumente, Violine und Klavier, schrieb, allzumal gerade das Klavier im Wien der achtziger Jahre zum Modeinstrument wurde, verbunden mit einem ungeheuren instrumentenbauerischen Aufschwung. Viele Weiterentwicklungen der Blasinstrumente fanden im Gegensatz dazu erst im 19. Jahrhundert statt, sodass Mozart noch für beschränkte Möglichkeiten schreiben musste.

Zum anderen war es aber sicher auch Mozarts Abneigung, den Gepflogenheiten der Zeit nachzukommen und ganze Bündel „Concerten“ für einen Auftraggeber zu schreiben – dafür ließ er sogar einmal einen hochdotierten Auftrag platzen: Anfang 1778 bestellte der reiche Holländer Ferdinand Dejean in Mannheim eine Reihe von Flötenkonzerten. Mozart komponierte das Flötenkonzert G-dur KV 313, bearbeitete das zwischen April und September 1777 in Salzburg entstandene Oboenkonzert C-dur KV 314 und verwandelte es in das Flötenkonzert D-dur KV 314, in dessen Finalthema schon Blondchens Arie Welche Wonne, welche Lust aus der Entführung (1782) anklingt. Aber dann scheint Mozart endgültig die Lust an einer ‚Massenproduktion‘ verloren zu haben, denn wir finden in diesem Zusammenhang nur noch das Andante für Flöte und Orchester C-dur KV 315. Der Holländer zahlte nur einen Teil der zugesagten Honorare, Leopold Mozart rügte brieflich seinen Sohn entrüstet wegen seines Verhaltens – Mozart selbst ließ es bleiben und reiste weiter nach Paris. Dort wurde er von Legros, dem Direktor der ‚Concerts spirituels‘, eingeladen, eine Sinfonia Concertante für Flöte, Oboe, Horn und Fagott zu schreiben – um auch hier bittere Erfahrungen zu machen: Legros ließ das Werk einfach nicht aufführen. Die Partitur ist seither verschollen. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde die Abschrift einer Concertante für Oboe, Klarinette, Horn und Fagott Es-dur KV 297 b aufgefunden, die eine Nähe zu Mozarts Stil der Pariser Zeit aufweist, allerdings auch Un-Mozartsche Längen hat, sodass die Zuschreibung an Mozart nur zweifelhaft sein kann.

Mozart hatte also allen Grund, an der Seriosität von Musikern, die Werke bestellen und dann nicht aufführen, zu zweifeln. Anders verhielt er sich, wenn eine Freundschaft zu einem Musiker bestand, wie die zu dem Hornisten Joseph Leutgeb (Leitgeb), die ihren Niederschlag in zum Teil saftigen Charakterisierungen auf den Manuskripten fand: „Wolfgang Amade Mozart hat sich über den Leitgeb Esel, Ochs und Narr, erbarmt zu Wien den 27. May 1783“, heißt es auf der Partitur des Hornkonzerts Es-dur KV 417. Von Ende 1782 bis Juni 1786 schrieb Mozart insgesamt vier Hornkonzerte für Leutgeb, die Hornkonzerte D-dur KV 412 (Ende 1782), Es-dur KV 417 (Mai 1783), Es-dur KV 447 (1783) und Es-dur KV 495 (26.Juni 1786). In allen Werken wird das Horn als individuelle Persönlichkeit dargestellt, in langgehaltenen, ‚romantischen‘ Tönen, Echowirkungen, Romanzen (Mittelsatz von KV 495), aber auch in brillanten Figuren und im Finale stets als virtuoses ‚Jagd‘-Horn. Daneben gibt es noch zwei Konzertsätze für Horn und Orchester, die allerdings Fragment geblieben sind, bis sie ergänzt wurden: der Konzertsatz für Horn Es-dur KV 6 494a von Gerhard Wimberger und der Konzertsatz (Rondo) für Horn Es-dur KV 371 von Wilhelm Lanzky-Orro.

Diese Tendenz, das Soloinstrument als Individuum vorzustellen, als Klangpersönlichkeit, schafft eine Parallele zur Oper, speziell zur Arie: „Beide Gattungen werden gespeist von der genuin dramatischen Idee der Balance von Kontrast und Koordination zwischen dem einzelnen und der Gruppe“ (Wulf Konoid). Und genau diese musikdramatische Idee zwang Mozart auch, für jedes Konzert eine individuelle Lösung zu finden. Sehr klar kommt dieses Wechselspiel der ‚Klangpersonen‘ im Konzert für Flöte und Harfe KV 299 zum Tragen, das Mozart in Paris für den Herzog von Guines und dessen Tochter komponiert hat. Kein Wunder, dass er für diese künstlerische Idee sogar – wie im Fall der Flötenkonzerte für Dejean – auf ein Honorar verzichtet, ehe er sie einer barocken ‚Massenproduktion‘ opfert. Schon in den vielen Divertimenti und Serenaden, in denen er für Salzburger Musikerfreunde dankbare Bläsersoli hineinkomponiert, prägt sich dieser Zug aus. Mozart scheint insgesamt diese Einbindung der Bläser in einen anderen Werkkontext bevorzugt zu haben, eine Einbindung, die in den ausgeprägten Bläserpartien der Wiener Klavierkonzerte fortgeführt wurde. Eine Ausnahme bildet das Fagottkonzert B-dur KV 191, das für einen uns nicht bekannten Musiker im Juni 1774 in Salzburg entstand, in dem die Wechselwirkung Fagott-Orchester schon weit über die reine Ritornellfunktion hinausgeht. Mit dem Oboenkonzert KV 314 und dem späten Klarinettenkonzert hat Mozart allerdings jedes Instrument der Holzbläserfamilie mit einem Werk ersten Ranges beschenkt, von den Blechbläsern fehlt nur die Trompete – ein frühes Trompetenkonzert KV 47c aus dem Jahre 1768 ist leider verschollen –, und an die Posaune hat Mozart in der Schuldigkeit des Ersten Gebotes KV 35 (Nr. 6) (1767) und im Tuba mirum des Requiem gedacht.
Gerhard Eduard Winkler

© Csampai / Holland: Der Konzertführer. Rowohlt Verlag.