Adagio und Fuge c-moll KV 546

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t1 Konzertführer
Wolfgang Amadeus Mozart
Adagio und Fuge c-moll KV 546

„. . . ich gehe alle Sonntage um 12 Uhr zum Baron van swieten – und da wird nichts gespillt als Händl und Bach – ich mach mir eben eine Collection von den bachschen Fugen“, schreibt Mozart am 10. April 1782 an seinen Vater. Dieses selbst angelegte Kompendium der Bachschen Kontrapunktik, die Mozart bis dahin unbekannt war, führte in der Folgezeit zu einer intensiven Auseinandersetzung mit dem strengen Stil; freilich „kein Sichaneignen aus dumpfem Instinkt heraus [...], sondern ein bewusstes, klares Eindringen in das Wesen dieser Musik, ein unaufhörliches Versuchen, ihren Stil nachzubilden und mit dem eigenen zu verschmelzen“ (Hermann Abert). Es ist auffällig, dass gerade die Tonart c-moll bevorzugt von Mozart für Musik kontrapunktischer Prägung verwendet wird. Die entsprechenden Teile der c-moll-Bläserserenade KV 388 geben davon ebenso Zeugnis wie das Fragment der c-moll-Messe KV 427 oder Fuge in c-moll KV 546. Ursprünglich für zwei Klaviere gesetzt (Dezember 1783), bearbeitete sie Mozart im Juni 1788 für Streichorchester (nicht für Streichquartett, wie frühere Ausgaben glauben machen wollen) und stellte ein Adagio voran, das zwar aus dem Geist der Französischen Ouvertüre kommt, durch die drastischen Affektwechsel aber ganz dem späten schmerzlichen Mozartschen Tonfall gehört. Das Thema der Fuge selbst zeigt zwar durch den markanten Septimensprung enge Verwandtschaft zu analogen Bachschen Themen (Fuge Nr. 1 aus dem Musikalischen Opfer oder die f-moll-Fuge aus dem zweiten Teil des Wohltemperierten Klavier), hat aber Mozarts eigenen affektiven Charakter. Den mächtig auffahrenden ersten zwei Takten steht ein fahles chromatisches Absinken des melodischen Duktus entgegen. Der Verlauf der Fuge kennt zwar alle Mittel der Umkehrung, Engführung und Spiegelung, erweist sich jedoch deshalb als problematisch, da das Thema fast durchgehend präsent ist. Man vermisst kontrastierende Zwischenspiele. So großartig die Fuge in ihrer Durchführung ist, zeigt dieser Umstand die mühsame Konstruktivität, das Artifizielle der genuin kontrapunktischen Musik Mozarts. In der Coda dann schlägt die Struktur um. Ab Takt 106 etablieren sich Dreiklangsfiguren als harmonische (!) Begleitung des Themas. Der im strengen kontrapunktischen Sinn unverzeihliche ‚Fehler‘ zeigt genau Mozarts Intention. Ihm ging es nicht darum, im Stil der ‚Alten‘ Fugenkunststücke zu vollbringen, sondern Elemente daraus in seine eigene musikalische Realität einzubringen. Die freie Verbindung aus kontrapunktischer und thematischer Arbeit wird später im Finalsatz der Jupiter-Symphonie KV 551 vollendet gelingen. 

Bernhard Rzehulka

© Csampai / Holland: Der Konzertführer. Rowohlt Verlag.