Violinkonzert Nr. 2 g-moll op. 63 (1935)

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t1 Konzertführer
Sergei Prokofjew
Violinkonzert Nr. 2 g-moll op. 63 (1935)

Das dreisätzige Konzert komponierte Prokofjew in jenem Jahr, in dem er sich zur Rückkehr nach Russland entschloss (mit dem er auch in den Exiljahren den Kontakt nie verloren hatte), im Auftrag für den französischen Geiger R. Soetan, der es am 1. Dezember 1935 in Madrid uraufführte; Stationen seines Entstehens waren – auf Konzertreisen Prokofjews – Paris, Woronesch und Baku, Stationen seiner ersten Präsentation Spanien, Portugal, Marokko, Algier und Tunis. Der Stil des Konzerts steht im Banne jener Ideen, die man als ‚Neue Sachlichkeit‘ und Prokofjew selbst als „Neue Einfachheit“ bezeichnete: einer objektiven, energischen, motorischen und optimistischen Musik, in der man Individuelles und Psychologisches überwunden glaubte. Die frühen dreißiger Jahre – vor der Katastrophe der Stalin‘schen ‚Säuberungen‘ und Künstlerverfolgungen – hatten die Utopie einer kollektivistischen, Kunst und Leben vereinigenden Musik noch nicht desavouiert, sie in keine ‚innere Emigration‘ getrieben (in der sich dann auch Prokofjew wiederfinden sollte). Das Hauptthema des ersten Satzes begegnet – im Geist der Zeit – in kontrapunktischen Verschränkungen. Die Lyrik des zweiten Satzes hat etwas von inszenierter Geste, läuft nicht ohne Prokofjew’sche Groteske ab; gleiches gilt vom dritten Satz: Elemente des herkömmlichen, romantischen Konzertierens sind – wie in der Dramaturgie Bertolt Brechts – in ihrem ‚Materialwert‘ betrachtet, in neuen Sichtweisen gebrochen und ‚objektiviert‘, jedenfalls mit neuen Akzenten ausgestattet.
Detlef Gojowy

© Csampai / Holland: Der Konzertführer. Rowohlt Verlag.