Skythische Suite (Ala und Lolli) für großes Orchester op. 20 (1914)

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t1 Konzertführer
Sergei Prokofjew
Skythische Suite (Ala und Lolli) für großes Orchester op. 20 (1914)

Von Diaghilew als Ballettmusik inspiriert, kann die viersätzige Komposition (I: ‚Die Anbetung Weles' und Alas, II: ‚Der Götze und der Tanz der bösen Geister‘, III: ‚Nacht‘, IV: ‚Der Zug Lollis und der Sonnenaufgang‘) als Pendant zu Strawinskys Sacre du printemps gelten – es ist in seinen barbaristischen Akzenten ein extremes Werk der ‚wilden‘ Periode Prokofjews. Bei seiner vom Komponisten dirigierten Uraufführung im Januar 1916 gab es einen Skandal: Prokofjews Lehrer und Rektor des Petrograder Konservatoriums, Alexander Glasunow, verließ unter Protest den Saal. Der Paukist hatte das Fell seiner Pauke durchschlagen.

Im Sinne der futuristischen Idee von der ‚Substantialität der Elemente‘ in der Musik sind hier die motorischen Partikel – Rhythmen, Impulse, Figuren – zu formaler Selbständigkeit erwacht: eine Entwicklung, die sich in den ‚Maschinenmusiken‘ der zwanziger Jahre fortsetzen wird, unter dem Vorzeichen des ‚Objektiven‘ und ‚Industriellen‘. Andererseits steht das Stück nicht außerhalb russischer, romantischer Traditionen, wie sie etwa in Mussorgskijs gleichfalls wildwüchsiger Nacht auf dem kahlen Berge vertreten sind. In seiner Wirkung auf die Zeitgenossen muss man sich das Stück in seinem ästhetisch schroffen Gegensatz zur hochdifferenzierten, spätromantischen Klangkultur etwa Alexander Skrjabins vergegenwärtigen, als eine „Ohrfeige dem öffentlichen Geschmack“, wie sie Majakowski, wie sie die Futuristen gegenüber den Symbolisten formulierten. Nicht Klänge, sondern die linearen Strukturen spielen in dieser Komposition bereits eine entscheidende Rolle.
Detlew Gojowy

© Csampai / Holland: Der Konzertführer. Rowohlt Verlag.