Till Eulenspiegels lustige Streiche op.28

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t1 Konzertführer
Richard Strauss
Till Eulenspiegels lustige Streiche op.28

Bezeichnenderweise trägt diese Komposition nicht die Bezeichnung Tondichtung, sondern – nach dem Titel – die Überschrift: Nach alter Schelmenweise – in Rondeauform – für großes Orchester gesetzt. Schon dieser Titel mit der altertümelnden Formenangabe ‚Rondeau‘ und dem gestelzt wirkenden Ausdruck ‚gesetzt‘ kündet von den Grimassen des Schalks Till, der hier nicht nur mit seinen Mitmenschen, sondern – in Gestalt des Komponisten – auch mit den Hörern seine Possen spielt. Ursprünglich wollte Strauss seine Titelfigur zum Mittelpunkt einer Oper machen, die dem Guntram als komisch-satirisches Gegenstück folgen sollte. Nachdem Tod und Verklärung formal als modifizierte Sonatenform gestaltet war, griff der Komponist, wie schon der Titel anzeigt, hier auf das im Don Juan mit Erfolg zugrunde gelegte Rondoprinzip mit durchführungsartigen Teilen zurück; umrahmt wird das Werk von einem Prolog und einem Epilog, in denen das Orchester die Rolle eines Erzählers übernimmt. Die Instrumentation des Till arbeitet erstmals bei Strauss mit vierfachen Holzbläsern, vier zusätzlichen Hörnern und drei zusätzlichen Trompeten (diese jeweils noch ad libitum) und einer genau in Anzahl und Disposition vorgeschriebenen Streichergruppe (64 Instrumente!). Das Orchester ist nunmehr aller Nuancen vom zartesten Hauch bis zum gellenden Aufschrei fähig, und Strauss zögert nicht, sie einzusetzen. Das Schicksal Tills, den der Komponist einen die Natur vergötternden Menschenverächter genannt hat, scheint sich zu erfüllen, nachdem er seine derben Späße nicht nur mit den Marktweibern, Philistern und Spießbürgern getrieben hat, sondern auch als salbadernder Pfarrer verkleidet die Religion verspottete: Das Gericht verurteilt ihn zum Tode durch den Strang, der auch sofort vollzogen wird (beides musikalisch ungemein deutliche, geradezu ‚handgreiflich‘ deskriptive Szenen); der Geist des Schalks jedoch triumphiert über seine Widersacher – ähnlich Petruschka –, wie aus der hohnlachenden Fratze erhellt, die, an den Epilog angehängt, das Werk beendet. Waren schon die vier früheren Werke von beträchtlichen technischen Ansprüchen für die Ausführenden gewesen, so steigert Strauss diese von Till ab in die Region instrumentaler Virtuosität.
Hartmut Becker

© Csampai / Holland: Der Konzertführer. Rowohlt Verlag.