Symphonia domestica op. 53

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t1 Konzertführer
Richard Strauss
Symphonia domestica op. 53

Nach Abschluss der zweiten Reihe der Tondichtungen widmete sich Richard Strauss zunächst der Vokalkomposition; als er im Jahre 1903, unmittelbar vor der Arbeit an der Salome, nochmals zur Symphonik zurückkehrt, entsteht ein Werk, dass zwar die überkommene Viersätzigkeit einer Symphonie erkennen lässt, in seiner ganzen Art jedoch zu den Tondichtungen zu rechnen ist. Erschreckend an diesem Werk ist der programmatische Angelpunkt: Hier soll häusliche Familienidylle in Musik gefasst werden, doch der Komponist bedient sich für die Darstellung so privater, intimer Sphäre der Mittel eines Orchester-Giganten, fordert noch größere Besetzung als im Heldenleben. Muss schon dies ästhetisch fragwürdig erscheinen, da Strauss hier keinerlei parodistische Absichten hat, so erschreckt die Symphonia domestica an vielen Stellen durch ihre oft kleingliedrige Gestaltung, Selbstwiederholungen und Trivialität mancher Gedanken. Die Meisterschaft des Handwerklichen vermag nicht die Schwächen zu verdecken. Ferrucio Busoni hat in einem Brief an seine Frau eine höchst treffende Charakterisierung dieses Werkes gegeben: „Eine bewunderswürdige Leichtigkeit, zu komplizieren und Kleines auszubreiten. Strauss muss die beiden Hauptstimmen, dann die Hauptmittelstimme ausschreiben, und hinterher alles, was noch dazwischen Platz hat, hineinstopfen. Man kann das ja immer weiter, aber er hört nicht rechtzeitig auf. Er kennt nicht die ‚Meisterschaft des Unvollendeten‘.“ Die Widmung „Meiner lieben Frau und unserem Jungen“ muss vor dem Hintergrund dessen geradezu peinlich wirken.
Hartmut Becker

© Csampai / Holland: Der Konzertführer. Rowohlt Verlag.