Instrumentalkonzerte

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t1 Konzertführer
Richard Strauss
Instrumentalkonzerte

Die Kompositionen für ein Soloinstrument und Orchesterbegleitung, die Konzerte also, sind im Oeuvre von Richard Strauss eher an die Peripherie gedrängt, ähnlich wie auch die Kammermusik, und wurden auch ihrer Bedeutung nach eher am Rande bemerkt und beurteilt. Bezeichnenderweise ‚umrahmen‘ sie auch von der Entstehungszeit her gesehen das Strausssche Hauptwerk der Opern und symphonischen Werke, denn zu Beginn seiner Komponistenkarriere stehen Konzerte, das Violinkonzert (1881/82), das erste Hornkonzert (1883) und die Burleske für Klavier und Orchester aus dem Jahre 1885 – Strauss war gerade einundzwanzig Jahre alt – und nach einem Zeitraum von immerhin sechzig Jahren wandte sich der alte Richard Strauss wieder der konzertanten Gattung zu, komponierte sein zweites Hornkonzert (1942) und schließlich das Oboenkonzert (1945). Diese Randstellung hatte freilich bei Strauss musikästhetische Gründe: Die programmmusikalische Konkretheit, wie sie der junge Strauss in seinen symphonischen Dichtungen anstrebte, war mittels der tradierten und erstarrten formalen Anlage des Konzerts nur schwer umzusetzen, da die Konzertform ursprünglich einer klassischen Musizierhaltung entsprungen war und dann in der Romantik umgeformt worden war zu einem musikalischen Mittel der virtuosen Selbstdarstellung. Erst im hohen Alter, als wiederum die symphonische Dichtung als überlebt galt, konnte sich Strauss wieder der Konzertgattung – durchaus im neoklassizistischen Geiste, der hoffähig geworden war – zuwenden. Die frühen Kompositionen stehen deutlich im Zeichen einer unbändigen, teils auch noch ungebändigten Musizierfreude. An Ungezwungenheit und Frische besticht am ehesten das erste Hornkonzert in Es-dur (1883), das Richard Strauss wohl als Huldigungswerk für seinen Vater Franz Strauss schrieb, der Hornist im Münchner Hoforchester war. Einfach und eingängig ist der musikalische Ton, geprägt von einer dem Horn gemäßen signalartigen Thematik, deren Ungebrochenheit und Vitalität das ganze relativ unproblematische Werk durchzieht. Das Rondothema des Finalsatzes verarbeitet Motivmaterial des ersten Satzes, was das konstruktive Verknüpfungsdenken assoziieren lässt, das für spätere Arbeiten von Strauss immer wieder eine wesentliche Rolle spielt.

Vom kompositorischen Anspruch her schwergewichtiger ist das d-moll-Violinkonzert angelegt, das ein Jahr vor dem Hornkonzert entstand. Schon die Tonart d-moll, mit der auch der junge Brahms sein Konzertschaffen eröffnete, weist auf diesen selbstbehauptenden Charakter hin. Der Violinpart ist technisch anspruchsvoll und orientiert sich an den großen romantischen Konzertwerken. Ebenso erweist sich Strauss als ausgesprochen versiert in einer erweiterten, spätromantischen harmonischen Musiksprache, die besonders im ersten Satz überraschende Wendungen demonstriert, wobei einige schablonenhafte Fortschreitungen nicht gänzlich vermieden werden können. Überzeugend selbstbewusst und gleichermaßen eingängig wirkt das Prestissimo-Rondo des Finales mit seinem flüssig durchchromatisierten Achtelthema.

Die Burleske für Klavier und Orchester aus dem Jahre 1885, die ebenfalls in d-moll steht, ist unter den frühen Konzertwerken zweifelsohne die reifste Komposition. Sie ist gewissermaßen ein Kompendium der musikalischen Techniken auf der Höhe der Zeit. Die Arbeiten von Strauss standen davor immer wieder noch spürbar unter dem Einfluss von Johannes Brahms. In der Burleske, drei Jahre vor dem Don Juan, der endgültig die gefundene eigene musikalische Sprache markiert, gelingt Strauss auf dem Wege einer verfremdenden Ironie die Loslösung von seinen Vorbildern. Schon beim Beginn, wo ein Grundmotiv allein von vier Pauken gespielt wird, kündigt sich die Ambivalenz des ganzen Werkes durch die merkwürdige Instrumentation an. Ein für das weitere musikalische Schaffen kennzeichnender Humor ist auszumachen: So etwa schon beim ersten Einsatz des Klaviers, das punktiert gewichtig – durchaus im Stil von Brahms – beginnt, nach vier Takten aber eine chromatische Abwärtslinie in dissonierenden Klangkombinationen einschiebt, die unschwer als musikalische Metapher spitzen Lachens deutbar ist. Distanz zum kompositorischen Ereignis kündigt sich an, sie geht einher mit einer stupenden Beherrschung des Materials, mit dem Strauss in kaum einem anderen Werk so virtuos und zugleich unbefangen spielt, wie in der Burleske. Divergierende Charaktere werden ‚herbeikomponiert‘, und es spricht für das überlegene Formgefühl von Richard Strauss, dass alles zu einem stimmigen Ganzen zusammenläuft. Der burlesk-rüde Ton als Basis, in den immer wieder ‚beseelte Inseln‘ eingelagert werden, ohne dessen vorantreibende Dynamik vergessen zu machen, erweist sich hierfür als probates kompositorisches Mittel. Die stets spürbare kritische Distanz zum Erklingenden, die noch im lapidaren Pianissimo-Schluss hörbar bleibt, verhindert hierbei die Penetranz eines allzu derben Humors.

Die beiden letzten Konzertkompositionen haben den herrisch, von sich selbst überzeugten Gestus der frühen Werke nicht mehr nötig. Sie können auf eine gewaltige kompositorische Erfahrung zurückblicken – und sie setzen diese mit sparsamsten Mitteln um. Auf diese Weise gelingt Strauss ein filigran durchgehörter Ton, der trotz der nie in Frage gestellten Tonalität an keiner Stelle den Charakter des Antiquierten annimmt. Schon im zweiten Hornkonzert (1942) ist die Verliebtheit in weit ausschwingende Melodien, auch die sanfte Wehmut nach tonaler Stimmigkeit deutlich zu hören. Die kammermusikalische Dichte und das Sich-Ergehen in durchsichtigem Zierwerk, das freilich ganz entschieden Eigenqualität beansprucht, sind im Oboenkonzert (1945) noch schlüssiger weiterentwickelt. Stets herrscht eine rhapsodische Leichtigkeit und zurückhaltende Noblesse. Sie suchen gleichsam Momente des Bukolischen und des sanft Burlesken (im Finale) in eine Zeit zu retten, die diese Kategorien längst getilgt hat. So wirkt das Oboenkonzert wie ein großer, aber unpathetischer Abgesang auf eine zerstörte Musiksprache. Die Intensität, mit der dies gelang, macht das Oboenkonzert zu einer der zentralen Kompositionen des späten Richard Strauss.
Reinhard Schulz

© Csampai / Holland: Der Konzertführer. Rowohlt Verlag.