Konzertarien Beethoven

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t1 Konzertführer
Ludwig van Beethoven
Konzertarien Beethoven

Einzelne orchesterbegleitete Arien hatte der junge Beethoven schon in Bonn unter der Obhut seines Lehrers Christian Gottlob Neefe geschrieben; als der Einundzwanzigjährige dann nach Wien übersiedelte, machte er zunächst von dem Angebot des kaiserlichen Hofkapellmeisters Antonio Salieri Gebrauch, unentgeltlich Studien junger Komponisten in italienischer Gesangskomposition zu leiten und zu überwachen. Aus jener Zeit (bis etwa 1803) sind fünf vollendete Werke erhalten, von denen nur zwei zu Lebzeiten Beethovens im Druck erschienen: Das Terzett Tremate, empi, tremate op. 116 (1802) und die Szene und Arie Ah, perfido! für Sopran und Orchester, op. 65 (1796). Nur das letztere Werk erscheint heute ab und zu auf Konzertprogrammen, es mag hier stellvertretend für die Gattung näher beschrieben sein.

Wenn sich bereits der junge Beethoven sehr abfällig über die „liederlichen Texte“ äußerte, die Mozart vertont habe und diesen vor allem als Instrumentalkomponisten als den „Ersten“ bezeichnete, so darf Mozarts Vorbild auch bei den italienischen Gesangskompositionen Beethovens nicht als unbedeutend angesehen werden. Wenn der junge Beethoven Texte von Pietro Metastasio vertonte, lag dieses ohnehin so hochgeschätzte Idol auch hier als Vorbild nahe, denn die Kritik des jüngeren bezog sich ja in erster Linie auf die Wahl der Libretti des Älteren. Mit der Szene und Arie Ah, perfido!, deren erster Teil aus Metastasios Achille in Sciro stammt, bewegte sich Beethoven übrigens auch biographisch in Mozarts Nähe: Die Komposition wurde 1796 in Prag, sozusagen unter den Augen von Mozarts Freunden Franz Xaver und Josepha Duschek geschrieben, in deren Haus Teile von Don Giovanni und La Clemenza di Tito entstanden waren. Josepha, für die Mozart selbst zwei Arien komponiert hatte, erhielt auch die Arie des jungen Beethoven und brachte sie in einem Konzert in Leipzig zum ersten Mal zur Aufführung. Nicht nur stilistisch, sogar in der Instrumentation orientiert sich der Komponist hier an Mozart: Nur eine Flöte, Verzicht auf die Oboen sowie auf Trompeten und Pauken, gelegentliches Isolieren der Bläser sowie Soli der ersten Klarinette und des ersten Fagotts. Dies alles ist freilich nicht von gleicher Kühnheit und Intuition wie bei Mozart, doch einem zu direkten Vergleich vermag selbst Beethoven nicht standzuhalten.
Hartmut Becker

© Csampai / Holland: Der Konzertführer. Rowohlt Verlag.