Amerikanische Komponisten

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t1 Konzertführer
Walter Piston, Aaron Copland, Elliott Carter, Samuel Barber, Morton Feldman, Steve Reich, Philip Glass, John Adams, John Corigliano, Carl Ruggles, Ernest Bloch, Henry Cowell, Roy Harris, William Schuman, Morton Gould, Alan Hovhannes, Milton Babbitt, Lou Harrison, George Rochberg, George Crumb, Lukas Foss, Ned Rorem, Gunther Schuller, Adolphe Adam, David Del Tredici, Christopher Rouse, Tobias Picker, Elliott Sharp, Michael Torke, Terry Riley
Amerikanische Komponisten

Carl Ruggles (1876 – 1971)
Ernest Bloch (1880 – 1959)
Walter Piston (1894 – 1976)
Roger Sessions (1897 – 1985)
Henry Cowell (1897 – 1965)
Roy Harris (1898 – 1979)
Aaron Copland (1900 – 1991)
Harry Partch (1901 – 1976)
Elliott Carter (1908 – 2012)
Samuel Barber (1910 – 1981)
William Schuman (1910 – 1992)
Morton Gould (1913 – 1996)
Milton Babbitt (1916 – 2011)
Alan Hovhaness (1911 – 2000)
George Rochberg (1918 – 2005)
Lukas Foss (1922 – 2009)
Ned Rorem (geb. 1923)
Gunther Schuller (1925 – 2015)
Morton Feldman (1926 – 1987)
Lou Harrison (1917 – 2003)
George Crumb (geb. 1929)
Terry Riley (geb. 1935)
Steve Reich (geb. 1936)
Philip Glass (geb. 1937)
David del Tredici (geb. 1937)
John Adams (geb. 1947)
John Corigliano (geb. 1938)
Christopher Rouse (geb. 1949)
Elliott Sharp (geb. 1951)
Tobias Picker (geb. 1954)
Michael Torke (geb. 1961)


Auch in musikalischer Hinsicht sind die Vereinigten Staaten von Amerika ein Schmelztiegel. So mannigfaltig die unterschiedlichen ethnischen und kulturellen Einflüsse auf die ästhetischen Standorte und Ziele des einzelnen Komponisten auch sein mochten, fast ausnahmslos ist die amerikanische Musik von einem vitalen Geist, von nationalem Selbstbewusstsein, von dynamischem Schwung geprägt. Introversion und Skepsis sind ihr fremd. Die Weite der Landschaft und ihre Vielfalt spiegeln sich in der Musik amerikanischer Tonsetzer. Die Lieder und Tänze der Ureinwohner, die Volks- und Kunstmusik der europäischen Einwanderer, das Rhythmusgefühl und die Musizierhaltung der Schwarzen verbanden sich zu einer spezifisch nordamerikanischen Musik, welche die ‚Alte Welt‘ in mehreren Wellen kennengelernt hat. Nach dem Ersten Weltkrieg, in den zwanziger Jahren, kamen viele Komponisten aus Übersee nach Paris, um zu lernen. Sie brachten ein eigenes Lebensgefühl mit. Namen wie Aaron Copland oder George Gershwin stehen für expressive, tänzerische, von Jazz- und Bluesmustern durchwobene Orchestermusik. Wie formulierte doch Gershwin? „Der Jazz wird für Amerika von bleibendem Wert sein, denn er ist der Lebensausdruck unseres Volkes. Er ist Amerikas eigenste Errungenschaft, die, wenn sie vielleicht auch nicht als Jazz weiterlebt, doch der künftigen Musik in irgendeiner Form ihren Stempel aufdrücken wird.“ Im Wesentlichen erst nach 1945 lernte Europa eigenständige amerikanische Pioniere wie Charles Ives kennen und natürlich junge Musiker, die bei Immigranten wie Arnold Schönberg oder Paul Hindemith, Ernst Křenek oder Darius Milhaud gelernt hatten. Schließlich wurden auch die Einflüsse einer Avantgarde aus Übersee (etwa John Cage und die Musiker seines Umfeldes oder auch der Minimalismus) für neue Strömungen der zeitgenössischen Kunstmusik Europas wesentlich und mitunter richtungsweisend. Es ist – zumindest in diesem Rahmen – schwierig, wichtige Komponisten der Vereinigten Staaten als Repräsentanten dieser oder jener Schule auszuweisen. Die folgenden Skizzen sprechen deshalb eher punktuell von einer bunten, vielschichtigen musikalischen Kultur.
Als einer der ausgeprägtesten Individualisten der amerikanischen Musik neben Charles Ives kann Carl Ruggles (1876 – 1971) gelten. Die wenigen Werke des kauzigen Exzentrikers, der in Harvard studiert hatte, wirken in ihrer fiebrigen Strenge wie monolithische Blöcke. Sein dissonanter, atonaler Stil erinnert entfernt an Schönbergs Musik. Am bekanntesten sind seine Orchesterkompositionen Men and Mountains (1934), Sun-Treader (1926 – 31) und Organum (1944 – 47) – Stücke, an deren bizarr-strenger und vergrübelter Polyphonie Ruggles im Dienste des „Erhabenen“ in Zurückgezogenheit lange gefeilt hat. Keine Stimme zeigt Füllfigurationen irgendwelcher Art, sondern führt ein absolut eigenes Leben im kontrapunktischen Satzgeflecht.
Zu den einflussreichen amerikanischen Komponisten wird auch der aus der Schweiz stammende Ernest Bloch (1880 – 1959) gezählt. Nach seinen Studien in Genf, Belgien (Ysaye) und Deutschland lebte und lehrte er fast ausschließlich in den USA. In seinen Frühwerken stark von der deutsch-österreichischen Spätromantik (Bruckner, Mahler, Strauss), aber auch von Debussy beeinflusst, lichtete sich sein Stil nach einer eher ‚neoklassizistischen‘ Phase (Concerti grossi 1924 und 1952) zu einer melodiös-durchsichtigen Schreibweise. Musik ist ihm geistiger Ausdruck. Seine epische Rhapsodie America (1926) ist der Versuch, die historische Bedeutung und das Lebensprinzip der Vereinigten Staaten in Musik auszudrücken. Arbeitet Bloch hier mit Zitaten aus Hymnen, Indianergesängen und Volksliedern, so versucht er in anderen Werken eine national-jüdische Musik zu komponieren, die ohne folkloristische Grundlage und ganz aus dem alttestamentarischen Geist erfunden ist. „Die jüdische Seele interessiert mich, die rätselhafte, glühende, bewegte Seele, die ich durch die Bibel hindurchschwingen fühle...“ (Schelomo für Violoncello und Orchester, 1916, Suite Hébraique für Violine und Orchester, 1951.) Wichtig in Blochs umfangreichem Werk sind neben den fünf Symphonien auch das Tongedicht Stimme der Wildnis (1936) und das rhapsodische Violinkonzert (1938).
Walter Piston (1894 – 1976) studierte in Harvard und Paris (Nadia Boulanger), war von den französischen Neoklassizisten der zwanziger Jahre, auch von Strawinsky beeinflusst und schrieb einen klaren, nie exaltierten Stil. Die meisten seiner acht Symphonien, deren bedeutendste vielleicht die Zweite ist (1943), beziehen Elemente des Jazz und des Spirituals ins Satzgewebe ein. Auch zwölftönige Melodien bleiben tonal gebunden. Lyrische Wärme und Humor wechseln in seiner Musik auf tiefsinnigem Niveau. Sehr populär wurde die Ballettmusik The Incredible Flutist (1938), ein Werk, das wegen seiner lateinamerikanischen Anklänge jedoch weniger charakteristisch für Pistons Schreibweise ist.
Ebenfalls acht Symphonien und viele Instrumentalkonzerte hat der ungemein ernste Roger Sessions (1897 – 1985) geschrieben. Man hat ihn schon den ‚amerikanischen Brahms‘ genannt. Sessions, der in New York bei Bloch studiert und sich zwischen 1925 und 1933 in Europa aufgehalten hatte (Berlin, Florenz), widmete seine herausragende dritte Symphonie (1944 bis 1946) „to the Memory of Franklin Delano Roosevelt“. Eine dichte kontrapunktische Struktur von dissonanter Harmonik wird von einer für Sessions Musik charakteristischen rhythmischen Kraft vorwärtsgetrieben und belebt. Mit souveränen handwerklichen Mitteln schrieb Sessions eine sehr abstrakte, kompromisslos der Wahrheit verpflichtete Musik.
Der Begriff ‚Cluster‘ begegnet in der zeitgenössischen Musik des Öfteren und meint Tontrauben aus übereinandergeschichteten Sekundintervallen – auf dem Klavier etwa mit der Faust oder dem Unterarm zu spielen. Er stammt von Henry Cowell (1897 – 1965), einem künstlerisch ungemein vielseitigen Kalifornier. Als Komponist weitgehend Autodidakt, schrieb Cowell ausgesprochen experimentelle Werke. Als Lehrer an der Columbia University beeinflusste er stark die musikalische Avantgarde. Auch John Cage war unter seinen Schülern. Viele der 21 Symphonien Cowells tragen programmatische Titel wie zum Beispiel The seven Rituals of Music (1953/54) oder Icelandic (1962).
In den USA gilt Roy Harris (1898 – 1979) als typisch amerikanischer Musiker. Nach einer etwas unsteten Jugend entschloss er sich erst mit vierundzwanzig Jahren, Komponist zu werden. Erfolge stellten sich ein und ermutigten Harris, nach Paris zu gehen und bei Nadia Boulanger zu studieren. In der Heimat wurde er dann selbst zum gefragten Kompositionslehrer. Harris schrieb neben Kammermusik und Solokonzerten auch zwölf Symphonien. Trotz einer an Westeuropa orientierten Traditionsgebundenheit – er bezog sogar kirchentonale Wendungen in seine polyphonen Satzstrukturen ein – wurde Harris mit richtungsweisend für die zeitgenössische Musik Nordamerikas. Namentlich seine Symphonie Nr. 3 (1938), ein kräftiges, polytonales, einsätziges Gebilde, wurde zum großen Erfolg. Die Symphonie Nr. 6 (1944) ist den „bewaffneten Streitkräften unserer Nation“ gewidmet; ihr letzter Satz, eine Fuge, der Versuch, „in architektonischen Formen den starken Glauben an die Menschheit widerzuspiegeln“.
Nachdem er Unterricht in Harmonielehre genommen hatte, studierte Aaron Copland (1900 – 1991) wie Harris und Piston in Paris bei Nadia Boulanger. In den beiden Jahrzehnten vor seinem Tod galt Copland schließlich als der Nestor, der große alte Mann US-amerikanischer Musik in unserem Jahrhundert. Hatte er in seinen frühen Werken mit symphonischem Jazz und expressionistischen Ausdrucksformen experimentiert, so fand er später, bemüht um ein typisch amerikanisches Idiom, zunehmend zu einem durchsichtig-freien Stil, der auch von einem größeren Publikum spontan verstanden werden sollte und konnte. Im besten Sinne populär geworden sind etwa seine beschwingten Ballettsuiten Billy the Kid (1938), Rodeo (1942) und Appalachian Spring (1944): nordamerikanische Folklore, Cowboylieder und Tänze im symphonischen Gewand. Auch die abstrakten Werke Coplands, wie die spätromantisch beeinflusste Symphonie Nr. 3 (1948), sind voller Lebendigkeit und musikalischer Raffinesse. Sie verraten einen immensen Sinn für Wirkung, für versteckte Intellektualität und emotionale Kraft. Auch auf dem Gebiet der Film- und Gebrauchsmusik hat er exemplarisch und erfolgreich gearbeitet.
Zu den sonderlichsten Komponisten der amerikanischen Musikgeschichte zählt zweifellos Harry Partch (1901 – 1976). Autodidaktisch hatte er in seiner Jugend etliche Instrumente spielen und komponieren gelernt. Der Achtundzwanzigjährige vernichtete aber alle seine bereits entstandenen Arbeiten (darunter eine symphonische Dichtung und ein Klavierkonzert), weil sie noch dem traditionellen Musiksystem verpflichtet waren. Oft am Rande der Gesellschaft lebend, jahrelang etwa als Vagabund, entwickelte er für seine Musik eigene, oft skurril anmutende Instrumente und ein Tonsystem, das die Oktave in 43 Töne unterteilt. Der eminente Wert von Partchs künstlerisch und theoretisch hochinteressantem Schaffen – darunter das Bühnenwerk Oedipus (1952) wurde erst nach seinem Tod erkannt und gewürdigt.
Es war Charles Ives, der Mitte der zwanziger Jahre den hochbegabten Elliott Carter (1908 – 2012) darin bestärkt hatte, zu komponieren und sein Leben der Musik zu widmen. Carter studierte zunächst Philosophie, Literatur, alte Sprachen und Mathematik, dann Komposition u. a. bei Walter Piston und Nadia Boulanger (in Paris). In seiner emotional immer packenden Musik gibt es nichts Beiläufiges oder gar Unwichtiges. Ausgehend von atonalen Reihenverfahren, entwickelte Carter, der zu den bedeutendsten Komponisten des 20. Jahrhunderts zählt, Mitte der vierziger Jahre eine neuartige metrisch-rhythmische Flexibilität, die auf einer raffinierten Ambivalenz und Mehrschichtigkeit von gemessener und gewerteter Zeit beruht. Um seine Ideen ungestört entfalten zu können, zog er sich 1951 für ein ganzes Jahr in die Einsamkeit der Wüste zurück.
Während dieser Zeit entstand sein erstes Streichquartett; es sollte Carters internationalen Ruhm begründen. Wie komplex und filigran gewirkt seine Musik auch immer ist: stets geht es um die einzelne Stimme als Trägerin einer spezifischen Individualität. Carters Kreativität ist noch im hohen Alter ungebrochen. So wurde 1999 seine erste Oper uraufgeführt (What next?), 2004 sein komplexes Ensemblestück Reflexions. Weitere zentrale Werke: Variationen (1955); A Symphony for three Orchestras (1976); die Konzerte für Klavier (1964/65), für Orchester (1969), für Oboe (1986/87) und Violine (1990); A Mirror on which to Dwell für Sopran und Orchester (1975); Three Occasions für Orchester (1989); Klarinettenkonzert (1996); Symphonia (1997).
Einer der vielgespielten Komponisten Amerikas ist auch Samuel Barber (1910 – 1981). Schon mit dreizehn Jahren hatte er begonnen, Kontrapunkt zu studieren. Frühe Musikpreise ermöglichten ihm einen Studienaufenthalt in Italien. Und als Arturo Toscanini 1938 Barbers zwei Jahre zuvor entstandenes Adagio for Strings aufführte, machte dies den Komponisten auf einen Schlag berühmt. Es ist ein lyrisches, monothematisches Stück von fast barocker Stimmführung und romantischer Aura. Barbers Stil wurde zunehmend komplexer, dissonanter und somit ‚unbequemer‘. Seine ausdrucksstarke zweite Symphonie (1944) fand aber ebenso Eingang ins internationale Repertoire wie das Violoncellokonzert (1945) und die zwischen Meditation und Ekstase vermittelnde Ballettmusik Medea (1946). Mit dem Orchesterlied Knoxville: Summer of 1915 (1947) gelang ihm eine seiner psychologisch feinsinnigsten Partituren. Kantabilität und formale Ordnung sind Kennzeichen seiner Musik.
William Schuman (1910 – 1992) gehört zu jenen amerikanischen Komponisten, die ausschließlich in der Heimat studiert haben. Als Schüler von Roy Harris stand er diesem Meister stilistisch nahe. Außerdem waren Mittel des Jazz und die eruptive Rhythmik Strawinskys für seine Tonsprache bestimmend. In den meisten seiner zehn Symphonien sind synkopenreiche Rhythmen und amerikanische Themen so verarbeitet, dass polytonale und komplizierte kontrapunktische Strukturen wie spontan belebt erscheinen. Das zweisätzige, sehr romantisch grundierte und virtuos angelegte Violinkonzert (1949) ist beispielhaft für die energiereiche und effektvolle Schreibweise Schumans.
Morton Gould (1913 – 1996), herausragender Pianist und Dirigent, war als Komponist ein hochbegabter Meister aller Genres. Sein überaus umfangreiches Schaffen umfasst raffiniert instrumentierte Bearbeitungen, Werke für den Broadway und den Film, Musicals und Ballette, brillante Konzerte, Sinfonien. In seiner durch und durch amerikanischen Musik durchdringen sich Bluesund Gospelanklänge, Evergreens und virtuoser Gestus. (Fosters Gallery, ein variationsartiges Werk in 13 Abschnitten, das auf Liedern und Tänzen Stephen Fosters aufbaut, 1939; Fall River Legend, Orchestersuite, 1948; Holocaust Suite, 1978; American Ballads, 1976; Symphony of Spirituals, 1979.)
Alan Hovhaness (1911 – 2000) war Sohn eines Armeniers und einer Amerikanerin. Schon als Kind hat er zu komponieren begonnen und sich auch früh für Mystik und Meditation interessiert. Seit den 1940er Jahren beschäftigte er sich mit der Musik Indiens und des alten Armenien. Er studierte u. a. bei Bohuslav Martinů und entwickelte – auch unter dem Eindruck fernöstlicher Erfahrungen – einen ganz eigenen, hymnisch-archaischen und leicht eingängigen Stil. Seine meist geschmeidigen modalen Melodien und Polyphonien werden von einer großflächigen Harmonik getragen. Die meisten Werke sind von magisch erlebten Naturphänomenen inspiriert und durch eine nahezu kindliche Frömmigkeit charakterisiert. Hovhaness hat Bühnenwerke und mannigfaltige Vokal- und Kammermusiken geschrieben. Im Zentrum seines Schaffens stand aber die Orchestermusik, zu der mehr als sechzig Sinfonien gehören. (Celestial Fantasy, 1935/44; Sinfonie Nr. 2, The Mysterious Mountain, 1955; The Holy City, 1965; And God Created Great Whales für Orchester und zugespielte Wal-Klänge, 1970; Rubaiyat für Sprecher, Akkordeon und Orchester, 1979; Sinfonie Nr. 50, Mount St. Helens, 1982.)
Milton Babbitt (1916 – 2011) studierte zunächst Mathematik, dann – u. a. bei Roger Sessions – Komposition. Ersten Erfolg brachte seine dodekaphone Composition for Strings (1940). Unabhängig von den Entwicklungen im Nachkriegseuropa, aber zu vergleichbaren Ergebnissen kommend, entwickelte er das Zwölftonverfahren eigenständig weiter, indem er Reihen strukturbildend einsetzte. Der Pionier und Magier elektronischer Klänge verwendete schon in den fünfziger Jahren Synthesizer. Neben der vielgestaltigen experimentellen Kammermusik sind seine ars combinatoria für kleines Orchester (1981) und die beiden Klavierkonzerte (1985 bzw. 1996) hervorzuheben. Babbitt wurde für sein Lebenswerk u. a. mit dem Pulitzerpreis geehrt.
Lou Harrison (1917 – 2003) gehörte zu den großen Erfindern und Experimentatoren der amerikanischen Musik. Er studierte Mitte der 1930er Jahre bei Henry Cowell, war seit jener Zeit mit John Cage befreundet und besuchte 1942 Kurse bei Arnold Schönberg. Er studierte die Satztechniken der Alten Meister ebenso intensiv wie später japanische und indonesische Musik. Und alle Einflüsse finden sich verschieden gewichtet in seinen über 350 farbenreichen und rhythmisch oft mitreißenden Werken. (Symphonie Nr. 1, 1947 – 1964, rev. 1966; Pacifica Rondo für Orchester aus westlichen und asiatischen Instrumenten, 1963; Konzert für Klavier und javanischen Gamelan, 1987; Symphony Nr. 4, 1990 – 1995; Konzert für Pipa und Orchester, 1997).
George Rochberg (1918 – 2005) ging stilistisch zunächst den eher typischen Weg der Komponisten seiner Generation. Der Auseinandersetzung mit der Musik Bartóks, Strawinskys, Weberns und der Nachkriegsserialisten folgt auch sein Schaffen. Seine dodekaphonisch komponierte Symphonie Nr. 2 (1955/56) findet viel Beachtung. Trotzdem wendet sich Rochberg – ein früher Postmoderner – mit einem Mal ab von allen neuen Stilmitteln. Fortan bezeichnet er sich als dem ‚new romanticism‘ verpflichtet. Süffige Tonalität und Kompilationskunst kennzeichnen seither sein eher retrospektiv ausgerichtetes, handwerklich virtuoses Schaffen. Neben den fünf Symphonien (1949/57/77; 1956; 1969; 1976; 1985) sind von seinen Orchesterwerken hervorzuheben Imago Mundi (1973) sowie die Konzerte für Violine (1974) und Oboe (1983), Eden: Out of Time and Out of Space für Gitarre und Ensemble (1998).
Lukas Foss wurde 1922 in Berlin geboren. Als musikalischer Wunderknabe emigrierte er aus Nazi-Deutschland über Frankreich in die USA. Dort studierte er u. a. bei Paul Hindemith. 1953 wurde er Schönbergs Nachfolger als Kompositionslehrer an der Universität von Kalifornien in Los Angeles. Wesentlich für seine Musik ist die im 20. Jahrhundert so typische Spannung zwischen traditionellen und neuartigen Formen des Ausdrucks. Nach 1960 schrieb Foss Werke von ausgesprochen avantgardistisch-experimentellem Charakter. Offene Formen und Klang-Text-Collagen sind ihm Mittel, ein neues, sensibleres Hörbewusstsein und Hörverhalten zu erreichen. Seine Musik Geod für vier Ensemblegruppen (1969) etwa ist ein Konzept „ohne Anfang und Ende, ohne Entwicklung, ohne Rhetorik“. Ein Hauptdirigent verteilt die Einsätze immer wieder anders, sodass sich die Details verschieben, das Ganze aber mit sich identisch bleibt. Wichtig in seinem großen Werkkatalog sind auch die Symphony of Chorals (1958), die Night Music for John Lennon – Präludium, Fuge und Choral für Orchester und Bläserquintett (1981); das Klarinettenkonzert Nr. 2 (1989); oder die tieflotende viersätzige Symphony of Sorrows (1991) mit ihrer Elegy for Anne Frank, dem 2. Satz; Windows to the Past, Sinfonie Nr. 4 (1995). Auch als Dirigent, Pianist und Pädagoge genoss Lukas Foss weltweit einen herausragenden Ruf.
Als bereits ausgebildeter und mit vielen Preisen geehrter Komponist – u. a. war er während seiner Studienzeit in New York Assistent von Virgil Thomson – ging Ned Rorem (geb. 1923) Anfang der fünfziger Jahre nach Paris. Er lernte dort bei Arthur Honegger und befreundete sich während seines achtjährigen Aufenthalts mit Künstlern wie Jean Cocteau oder Francis Poulenc. Seine reife Musik wurzelt sehr stark in der Tradition französischer Clarté und klangfarblicher Beweglichkeit. Zurück in der Heimat, entwickelte er sich zum führenden Vertreter des amerikanischen Kunstliedes. Rorems unmittelbar wirkende, vitalistische Orchestermusik – u. a. seine drei in Frankreich entstandenen Symphonien, Werke wie Water Music (1966), Air Music (1976), Sunday Morning (1977) oder die Konzerte für Klavier (Nr. 2; 1950) oder Orgel (1984) – basiert auf einer beweglich zwischen Tonalität und Polytonalität changierenden Technik, die gelegentlich auch für avancierte Verfahren offen ist. Typisch für sein kleingliedrig-suitenhaftes Formgestalten ist vielleicht das Klavierkonzert für die linke Hand (1991) ferner das Doppelkonzert für Violine, Violoncello und Orchester (1998).
Entscheidenden Anteil an der Entwicklung, die Jazz und symphonische Musik zu verbinden sucht, hat Gunther Schuller (1925 – 2015). Solohornist verschiedener amerikanischer Orchester, war er als Komponist Autodidakt. Seine seriell geordnete Musik aller Gattungen genügt hohen intellektuellen Ansprüchen. Mit Kompositionen wie dem Amerikanischen Triptychon (1962), das auf Gemälde von Pollock, Davies und Calder Bezug nimmt, oder mit Shapes and Designs (1969) versuchte Schuller, farbliche und geometrische Gebilde in musikalische Texturen umzusetzen. Wichtige, zum Teil sehr enigmatische Orchesterwerke: Konzerte u. a. für Kontrabass (1968), für Violine (1976), für Kontrafagott (1978), für Orgel (1994); The Past is in the Present (1994), An Arc Ascending (1996).
Morton Feldman (1926 – 1987) gehört zu den eigenwilligsten und interessantesten US-amerikanischen Avantgardisten. Nach seinen Kompositionsstudien bei Wallingford Riegger und Stefan Wolpe kam es 1950 zum Schlüsselerlebnis mit nachhaltigen Folgen: der Begegnung mit John Cage. 1973 wurde er von der State University of New York in Buffalo auf den Edgard-Varèse-Lehrstuhl berufen. Feldmans Musik findet auch in Europa stetig wachsende Beachtung. – Seit den frühen fünfziger Jahren ging es Feldman um eine Befreiung der Musik von den Einmischungen des Subjektiven, doch ging er von Anfang an andere Wege als Cage. Er entwickelte graphische Notationsverfahren, die gewährleisteten, dass die meist sehr reduzierte, aber farbige und feingewirkte Klanglichkeit seiner Stücke nach genau definierten Gesetzen im Vagen, im scheinbar Ortlosen sich abspielte. Später kehrte er zurück zur traditionellen Notation. Die Musik seiner Reifephase und vor allem des Spätwerks gewinnt ihre Tiefe, ja, ihren geradezu eschatologischen Ernst vor allem daraus, dass sie sich stets neu zu einer klingenden Metapher für die Ewigkeit verdichtet. Sie basiert auf dem immer wieder modifizierten Prinzip, zellulare Ton-Rhythmus-Konstellationen, die allerdings den Keim des Generativen in sich haben, dem stetigen Fluss der Zeit zu überantworten. Dabei ergeben sich innerhalb der meist stabilen Klangtextur subtilste metrische Verschiebungen, Überlagerungen und Asymmetrien, denen eine bewusste Wahrnehmung bald nicht mehr zu folgen vermag. Neben den meist kammermusikalisch besetzten Werken entstand auch wichtige Orchestermusik; etwa Marginal Intersection (1962); Piano and Orchestra (1975); Violin and Orchestra (1979); Coptic Light (1985/86). Als Liebhaber und Kenner orientalischer Teppichknüpfereien wob Feldman in seine Klangtexturen bewusst kleine ‚Fehler‘ ein, als initiale Momente für variative Veränderung.
George Crumb (geb. 1929) ist ein Meister der symbolistisch-kosmischen Musik. Während seiner Studienzeiten (u. a. bei Boris Blacher in Berlin) schrieb er von Bartók und Hindemith beeinflusste Werke, seit den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts dann außergewöhnlich besetzte Klangmirakel. Die Töne von Celesta und präpariertem Klavier, von Glasharmonika und exotischen Schlaginstrumenten raunen, teils elektronisch verfremdet, von
‚Spiralgalaxien‘, ‚Weissagungen des Nostradamus‘, ‚Magischen Kreisen der Unendlichkeit‘, ‚Glocken der Milchstraße‘ – so einige Satztitel. Die Notationen seiner ins Mystische, Archetypische, Surreale verweisenden, sehr klangsinnlichen Musik sind kalligraphische Meisterwerke der ersten Kategorie. Crumbs wohl klangmächtigstes Werk: Star Child (1977), eine Parabel für Sopran, antiphonale Kinderstimmen, Männer-Sprechchor, Glockenspieler und großes geteiltes Orchester. Vier Dirigenten steuern die unabhängigen Schichten der metaphysischen Musik, deren eine die klingende ‚musica mundana‘ repräsentiert. Weitere Orchesterwerke: Echoes of Time and the Rivers (1967); A Haunted Landscape (1984); viel Kammer- und Ensemblemusik.
Die Hauptvertreter einer von Kalifornien aus sich verbreitenden stilistischen Richtung – des sogenannten Minimalismus – sind Terry Riley (geb. 1935), Steve Reich (geb. 1936) und Phil Glass (geb. 1937). Einfache diatonische Tonfolgen (Patterns) werden in der ‚minimal music‘ mit maschineller Präzision ständig repetiert und sukzessive leicht variiert. Auch durch Phasenverschiebungen können diestatisch-entsubjektiviert wirkenden Klangflächen innerlich moduliert werden. Spieler und Hörer erleben ein meditativ entgrenztes Zeitempfinden. Spiritualistisch und fernöstlich inspiriert war vor allem der Ansatz Rileys, dessen fluktuierendes Stück In C (1964) – in dem dreiundfünfzig kurze Motive sich pulsierend und in immer neuen Kombinationen um das fixierte tonale Zentrum ranken – als eine der initialen Kultmusiken des Genres gilt. Weniger die Improvisation und die kleinen Besetzungen bevorzugend, entwickelte Reich einen strukturell elaborierten Stil. In Drumming (1970) oder Music for 18 Musicians (1976) wirken Erfahrungen mit balinesischer und afrikanischer Musik nach. Die musikalisch intendierte Unendlichkeit kollabiert gewissermaßen in jedem Augenblick zum mystischen ‚Jetzt‘. Rituelle Formen östlicher Musik verbinden sich in der Psalmkomposition Tehillim (1980/81) mit abendländisch-kantablen Gestaltungsprinzipien. Wichtig auch seine Desert Music für 27 elektrisch verstärkte Stimmen und Orchester (1984) auf Texte des amerikanischen Dichters William Carlos Williams. Weitere, teils multimedial erweiterte Werke für Stimmen und differenziert instrumentierte Ensembles: The Cave auf heilige Texte aus Judentum und Islam (1993); Proverb (1996) mit strukturellen Allusionen an die Musik der Notre-Dame-Schule und Worten des Philosophen Ludwig Wittgenstein; The Tales (1997/98) mit dokumentarischen Elementen.
Einen eher motorisch-additiven Typ von ‚minimal music‘ entwickelte Philip Glass. Vor allem seine Glass-Works (1981) und die Filmmusik Koyaanisquatsi (1982) wurden sehr bekannt. An der klassischen Dreisätzigkeit orientiert ist das packende Violinkonzert (1987). Nach vielen phantasievoll strukturierten und orchestrierten Werken für sein eigenes Ensemble oder für Symphonieorchester (auch vielbeachteten Opern wie Einstein on the Beach, 1974; Satyagraha, 1980; The Voyage, 1992; Galileo Galilei, 2002) wiederholen sich die Texturen. Weitere Werke: Sinfonie Nr. 5 (Choral) Requiem, Bardo and Nirmanakaya für Solisten, Chor, Kinderchor und Orchester (1999); Dancissimo für Orchester (2001); Sinfonie Nr. 6, Plutonian Ode für Stimme und Orchester (2002).
John Adams (geb. 1947) gilt als der wichtigste Minimalist der zweiten Generation und der heute wohl populärste und erfolgreichste Komponist der USA. Studiert hat er u. a. bei Roger Sessions und beim Schönberg-Schüler Leon Kirchner. Als er nach Kalifornien übersiedelte, waren die Möglichkeiten des rigiden und spartanischen Minimalismus, von dem er sich angezogen fühlte, weitgehend ausgereizt. Seit Mitte der siebziger Jahre entwickelte Adams einen klanglich opulenten, großflächigen symphonischen Stil. Harmonium (1980/81) für gemischten Chor und Orchester entstand aus der Vision heraus, einen einzigen Ton, welcher aus dem weiten, leeren Raum auftaucht, behutsam zu einem reichen, pulsierenden Gewebe zu entwickeln. Erinnerung, Vergessen und Zeitstillstand auf der Schwelle zur Ewigkeit sind thematisiert: Schleichende Veränderungen verleihen dem Klangfluss über weite Strecken eine ätherisch-schillernde Ambivalenz. Durch behutsam gesetzte Akzente und langsam dichter sich miteinander verwebende modale Repetitionsfigurationen verschleiert Adams das Metrum zunächst nur an der Oberfläche. Alsbald aber tragen auch raffiniert am Duktus der Sprache orientierte Taktwechsel dazu bei, dass jegliches Gefühl für eine schwerpunktsorientierte Sicherheit verlorengeht. Bezogen auf harmonische Rückungen, die das klangliche Geschehen unvermittelt in ein neues Licht setzen, spricht der Komponist von „Gates“, also von Toren oder Schleusen, durch die unser Bewusstsein gleichsam eine andere Daseinsstufe schauen kann. Weitere Orchesterwerke: Harmonielehre (1985); Short Ride in a Fast Machine (1986); Lollapalooza (1995); Century Rolls (Klavierkonzert, 1997); Naive and Sentimental Music für großes Orchester (1999). In Europa wurde Adams zunächst durch seine klangopulenten Opern Nixon in China (1984 – 88) und The Death of Klinghoffer (1989 – 91) bekannt.
Es gibt in den Vereinigten Staaten von Amerika eine nicht unwesentliche Gruppe von Komponisten, die den Boden der Tonalität nie verlassen oder ganz dezidiert wieder betreten haben. In einem Land, dessen herausragende Orchester privat finanziert werden, in dem auch der emotional oft hypertrophen Filmmusik stilbildende Wirkung nicht abgesprochen werden kann, konnte eine neue Tradition von Orchestermusik erblühen, die scheinbar unmittelbar an spätromantische Komponisten wie Gustav Mahler oder Richard Strauss anknüpft. Freilich sind Rückbesinnungen dieser Art bei den führenden Vertretern der amerikanischen Neoromantik stets mit kühner Erfindungsgabe und mit dem Instinkt für die eigene emotionale Gestik gepaart.
Einer der in den USA seit Jahrzehnten erfolgreichen Tonsetzer ist David del Tredici (geb. 1937), den Darius Milhaud 1958 zum Kompositionsstudium ermutigt hatte. In Princeton ging er durch die Schule des strengen Serialismus, doch wandte er sich bald einer neoexpressiven Klangsprache zu. Beginnend 1968, schrieb del Tredici über die Jahre einen vielteiligen Alice im Wunderland-Zyklus für Sopran und Orchester nach den Geschichten des englischen Dichters Lewis Carroll. Um ungebrochen Gefühle wie Glück und Schwermut, Ekstase und Freude schildern und vermitteln zu können, benützt er direkt aus der Tradition abgeleitete, differenzierteste Farben und Gesten. Dunkler, dissonant-bedrohlicher grundiert ist das Orchesterstück Tattoo (1986/87): feinziselierte Kontrapunktik im Detail wird aufgesogen von machtvoll vorwärtsdrängenden Klangmassen über einem ostinaten Bass. Virtuos verwendet del Tredici das berühmte Thema aus Paganinis Violin-Caprice Nr. 24. Weitere Werke: The Spider and the Fly für Sopran, Bassbariton und Orchester (1997); Dracula für Sopran und Ensemble (1999).
John Corigliano (geb. 1938) – sein Vater war von 1943 bis 1966 Konzertmeister der New Yorker Philharmoniker – ging nach seinem Kompositionsstudium (u. a. bei Otto Luening) zunächst in die Fernseh- und Filmindustrie. Er arrangierte Rockmusik und produzierte Schallplatten. Anfang der sechziger Jahre wurde er als virtuoser Komponist bekannt, wobei der tonale, in der Tat sehr amerikanische Stil seiner frühen Werke (Klavierkonzert 1968) – nach seinem eigenen Urteil – eher von Samuel Barber, Aaron Copland und Roy Harris beeinflusst war als etwa von der „Super-Romantic German School“ eines Richard Strauss. In späteren Jahren assimilierte Corigliano so geschickt wie wirkungsorientiert Stilmittel der avancierteren Musik des 20. Jahrhunderts. Sein virtuoser musikalischer Pluralismus ist auf reibungsfreie Kommunikation hin angelegt. So in den Konzerten für Oboe (1975), Klarinette (1977), im programmatisch-erzählenden siebenteiligen Flötenkonzert Pied Piper Fantasie (1979 – 82), im nach einer Filmmusik entstandenen Violinkonzert The Red Violin (1997). Für seine zwischen 1987 und 1990 entstandene Symphonie Nr. 1, die den Aids-Opfern gewidmet ist, wurde er u. a. mit dem Grawemeyer Award ausgezeichnet.
Christopher Rouse (geb. 1949) hat sein virtuoses Handwerk als Komponist bei so unterschiedlichen Lehrerpersönlichkeiten wie George Crumb, Karel Husa und Robert Palmer gelernt und verbindet in seinem Schaffen Momente der Populärmusik mit dem Gestus einer zwischen Berlioz, Bruckner und Schostakowitsch changierenden Sinfonik. Immer wieder kommt es in seiner gefühlsbetonten, extrovertierten, gelegentlich sehr motorischen Musik zu heftigen Stimmungsumschwüngen. (Infernal Machine, 1981; Gorgon, 1984; Symphony Nr. 2, 1994; Konzerte für Kontrabass, 1985; Posaune, 1991; Violoncello, 1992; Flöte, 1993; Gitarre, Concert de Gaudí, 1999.)
Einer der begabtesten Komponisten der jüngeren Generation ist Tobias Picker (geb. 1954), ein Schüler u. a. von Elliot Carter und Milton Babbitt. Seine manchmal an Mahler und Brahms, aber auch an Strawinsky oder Varèse erinnernde und wahrhaft bezwingend durchstrukturierte Orchestermusik ist allerdings nicht umstandslos unter die Rubrik ‚Neoromantik‘ zu subsumieren: Zu herausfordernd sind die Kühnheit der Farbgebung und die rhythmisch-metrische Dimension; zu aufrüttelnd immer wieder auch unbekannte Gefühlsvaleurs. Zu Pickers Werkkatalog gehören drei Symphonien, einige Konzerte, Orchester- und Kammermusik. Das energiegeladene Klavierkonzert Keys to the City (1983) wurde zur Hundertjahrfeier der Brooklyn Bridge komponiert. Populäre Lieder, Schiffshupen, großstädtisches Lebensgefühl klingen durch. Dass dieser Komponist es einfühlsam versteht, Landschaftsbilder in Klang zu verwandeln, zeigt u. a. auch das Mahler-, aber auch Ives-nahe Orchesterstück Old and Lost Rivers (1986). Weitere Werke: And Suddenly It’s Evening (1994); Konzert für Violoncello und Orchester (1999).
In der Musik Elliott Sharps (geb. 1951) durchdringen sich naturwissenschaftlich inspirierte, bruitistische Klangmassen und iterative Formungsprozesse mit rhythmischen Strukturen, deren Verteilungsmuster sich scheinbar statistischen Verfahren verdanken. Varèse oder Xenakis stehen Pate, aber auch chaotische Hardrock-Improvisation mit elektrisch verfremdeten Instrumenten, der Jazz eines John Coltrane, experimentelle Artistik aus dem New York Underground. Abseits des Philharmonischen sind dies wichtige und auch richtungsweisende Klangexplorationen, die unter die Haut gehen und beben machen. (CIA Pope; Geometry; Racing Hearts für Orchester, 1998; Calling für Orchester, 2001.) Michael Torke (geb. 1961) versteht sich auf eine ebenso vitale wie optimistisch anmutende Musik der schillernden Koloristik und der ekstatischen Rhythmen. Er hat u. a. bei Christopher Rouse und Gunther Schuller studiert, ist von der Musik Strawinskys ebenso inspiriert wie von Rock und Jazz, von den synästhetischen Energien der Farben ebenso wie von tanzenden Körpern. (Bright Blue Music, 1985; Ecstatic Orange, 1985; Bronce, Klavierkonzert, 1990; Saxophon-Konzert, 1993; Nylon, 1994; Brick Symphony, 1997; An American Abroad, 2000; Jasper, 2001.)
Helmut Rohm

© Csampai / Holland: Der Konzertführer. Rowohlt Verlag.