Hugo Wolf

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t1 Konzertführer
Hugo Wolf
Hugo Wolf

Windischgrätz, 13. März 1860 – Wien, 22. Februar 1903

Hugo Wolfs kompositorischer Rang gründet sich vor allem auf seine Klavierlieder. Die Orchesterwerke hingegen haben in seinem Schaffen eher eine untergeordnete Bedeutung. Dennoch sind auch sie nicht ohne Reiz, sind bisweilen auch im Konzertsaal zu hören.
Das bedeutendste instrumentale Werk Wolfs ist die in den Jahren 1883 bis 1885 entstandene symphonische Dichtung Penthesilea nach dem Trauerspiel Heinrich von Kleists. Wolf fühlte sich von dem hitzig-überspannten Ton des immer zwischen Liebe und Tod pendelnden und vom Irrsinn der Gefühle angetriebenen Drama Kleists besonders angezogen. Zudem berührte ihn auf Grund eigener traumatischer Erfahrungen die Verletzbarkeit des liebenden Mannes, wie sie das Ende der Penthesilea zeigt, in starkem Maße.

Das einsätzige Werk, deutlich von Franz Liszts symphonischen Dichtungen beeinflusst, gliedert sich in drei zusammenhängende, dabei jedoch unterschiedlich lange Teile. Zwei kürzere einleitende Abschnitte schildern den Aufbruch der Amazonen nach Troja und Penthesileas Traum vom Rosenfest. Indem die beiden kontrastierenden Teile sich auf ein gemeinsames Grundmotiv beziehen, wird die ambivalente und zerrissene Natur Penthesileas als kriegerische Amazone und liebende Frau musikalisch genau ausgedrückt. Der dritte, weitaus längste Teil ist mit „Kämpfe, Leidenschaften, Wahnsinn, Vernichtung“ bezeichnet. Er stellt gleichsam den Durchführungsteil des Werkes dar, in dem alle Motive verarbeitet, miteinander konfrontiert und variativ verändert werden. Die wildbewegte, materialische Musik – Wolf verwendet eine vierfach besetzte Blechbläsergruppe und großes Schlagzeug – entwirft illustrativ ein plastisches Schlachtengemälde. Beide Parteien sind Trompetensignale zugeordnet, extreme Lautstärken und Tonhöhen stehen für die Leidenschaften und den Wahnsinn dieses Kampfes und dieser Liebe.
Wolfs Penthesilea ist mehr eine Oper ohne Szene und Sänger als ein symphonisches Werk, und dieser Charakter mag – neben einigen instrumentationstechnischen Schwächen, die der Komponist in den neunziger Jahren in seiner Revision noch ausbessern wollte – nicht zuletzt zur Zurückweisung der Partitur durch Hans Richter geführt haben. Uraufgeführt wurde die Penthesilea in einer geglätteten Fassung im Jahre 1903.

Selten zu hören ist heute die Christnacht für Soli, Chor und Orchester nach August von Platen, an der Wolf von 1886 bis 1889 arbeitete. Das Werk sollte die Dualität der Menschwerdung Christi, das unschuldige Kind und den triumphierenden Helden, musikalisch symbolisieren. In ihrer Verbindung von Feierlichkeit und Einfachheit ist die Christnacht durchaus gelungen; die instrumentationstechnischen Probleme einer großen Chor- und Orchesterbesetzung konnte Wolf freilich nicht lösen. So erschien auch diese Partitur nach seinem Tod zunächst in einer Bearbeitung von Max Reger und Ferdinand Foll.
Im Frühjahr 1892 unterzog Wolf die fünf Jahre vorher entstandene Italienische Serenade für Streichquartett einer Bearbeitung für kleines Orchester. Dabei beabsichtigte er zunächst, das einsätzige Werk durch weitere Sätze zu ergänzen, die jedoch über das Stadium von Skizzen und Entwürfen nicht hinausgelangten.

Obwohl ohne explizites Programm, bezieht sich die Italienische Serenade auf Eichendorffs Leben eines Taugenichts, zumal im Zentrum der Erzählung tatsächlich eine Serenade steht. So ist denn auch diesem instrumentalen Werk Wolfs ein fast dramatisch anmutender Gestus zu eigen, scheinen die Motive und ihre Verarbeitung geradezu Personen und Szenen zu beschreiben. In ihrer für Wolf seltenen emotionalen Ausgeglichenheit, ihrer leichten Ironie, gehört es zu den ‚leichtesten‘ Werken des Komponisten.

Rainer Pöllmann

© Csampai / Holland: Der Konzertführer. Rowohlt Verlag.