Franz Schmidt

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t1 Konzertführer
Franz Schmidt
Franz Schmidt

Pozcony, 22. Dezember 1874 – Perchtoldsdorf bei Wien, 11. Februar 1939

In Preßburg, einem Knotenpunkt österreichischer, böhmischer und ungarischer Musikkultur, geboren, wuchs Franz Schmidt in einer musikalisch geprägten Umgebung auf, als Kind hörte er noch Franz Liszt in einem Konzert spielen. Seine Preßburger Lehrer waren der Domorganist Rudolf Mader und später Ludwig Burger. Nach der Übersiedlung nach Wien studierte Schmidt bei Joseph Hellmesberger und trat 1896 in das Hoforchester als Cellist ein. Er wirkte am Konservatorium, 1925 bis 1927 war er Direktor an der Staatsakademie und in den folgenden vier Jahren bekleidete er das Amt des Rektors an der Wiener Hochschule für Musik. Neben diesen offiziellen Ämtern gab er unzählige Privatstunden und fand Zeit, im Freundeskreis als Pianist und Cellist zu musizieren.
Unter diesen Lebensumständen stand Franz Schmidts kompositorisches Schaffen anfangs noch eher im Hintergrund und entwickelte sich erst langsam. Schmidt, obwohl im selben Jahr wie Arnold Schönberg geboren, war als Komponist ein „Meister nach Brahms und Bruckner“ (Carl Nemeth) – besonders ersterem fühlte er sich stilistisch hingezogen – und schlug nicht den avantgardistischen Weg in Richtung Atonalität und Zwölftonmusik ein, sondern blieb auf den konservativen Pfaden des späten 19. Jahrhunderts.

Die Nähe zu Brahms spiegelt sich auch in den vier Symphonien wider, deren erste in E-dur Schmidt 1896 geschrieben hat. Sechs Jahre später begann er mit seiner ersten Oper Notre Dame (vollendet 1914), die das Stück enthält, das heute noch am engsten mit dem Namen Franz Schmidt in Verbindung gebracht wird, das ‚Intermezzo‘. Etwa parallel zur letzten Arbeitsphase an Notre Dame entstand die zweite Symphonie in Es-dur (1911 bis 1913), und in den zwanziger und dreißiger Jahren nahm die kompositorische Tätigkeit einen immer weiteren Raum ein. Schmidt entwickelte seinen eigenständigen Stil; eine ausgeprägt komplexe Harmonik, eine individuelle Mischung von Mediantenharmonik, chromatischen Akkordparallelen und ungarischem Kolorit sind ihre hervorstechendsten Merkmale. Aber auch formal erweist sich Schmidt als Schüler im Geiste von Johannes Brahms: In der zweiten Symphonie beispielsweise verbindet er alle vier Sätze durch ein latentes Netz thematischer Bezüge, die aber selten an der Oberfläche greifbar werden, der zweite und dritte Satz sind in einem zusammengefasst und erwachsen aus einer Themenandeutung des ersten Satzes.

Die dritte Symphonie in As-dur (1927/28) zeigt Schmidts schon fast ans Impressionistische grenzende Instrumentation und Klangtechnik. Wie auch in der zweiten Symphonie erweist sich Schmidt als Meister der Mittelstimmen, dem es gelingt, formale, harmonische und instrumentale Strukturen miteinander zu verschränken, einen komprimierten Spätstil zu entwickeln, sich immer auf große Vorbilder der symphonischen Musik wie Beethoven, Schumann, Bruckner und Brahms berufend. Und so ist es nicht verwunderlich, dass auch Franz Schmidts reifstes Werk die vierte Symphonie ist, die 1932/33 entstanden ist und in C-dur steht. Schmidts einzige Tochter war kurz vorher gestorben, er selbst schwer krank. So sind denn die requiemhaften Züge dieser tragisch gefärbten Musik unüberhörbar. Aber neben emotional-biographischen Motiven steht auch hier das Bemühen um eine Lösung der formalen Probleme der Symphonie im Vordergrund: Schmidt erreicht eine Verschmelzung des Variationsprinzips mit der Sonatenform, leitet die ganze Symphonie von einem einzigen Hauptgedanken der Trompeten ab. Über der Mikrostruktur der einzelnen Sätze legt Schmidt eine Anlage im Großen, die aus den vier Sätzen die Abschnitte einer monumentalen Sonatensatzform macht: Erster Satz – Exposition, zweiter und dritter Satz – Durchführung, vierter Satz – Reprise und Coda.

Neben den Symphonien hat Schmidt 1930/31 die Variationen über ein Husarenlied für großes Orchester, gewidmet Clemens Krauss, und eine Orchestration für seine Orgel-Chaconne in cis-moll geschrieben, ferner zwei konzertante Kompositionen für Klavier und Orchester: 1923 entstanden die Konzertanten Variationen für Klavier und Orchester über ein Thema aus Beethovens Frühlingssonate, geschrieben waren sie ebenso wie Schmidts Klavierquintett für den Pianisten Paul Wittgenstein, der im Ersten Weltkrieg seinen rechten Arm verloren hatte.
Das Klavierkonzert in Es-dur (1934) steht zwischen der vierten Symphonie und Schmidts letztem Werk Das Buch mit sieben Siegeln, auch dieses Konzert war ursprünglich für Wittgenstein geschrieben, Franz Wührer stellte später eine Fassung für zwei Hände her, die aber immer umstritten blieb und der Durchsetzung des Klavierkonzerts als Werk mehr geschadet als genützt hat.

lrmelin Bürgers

© Csampai / Holland: Der Konzertführer. Rowohlt Verlag.