Violinkonzert Nr. 2 cis-moll op. 129 (1967)

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t1 Konzertführer
Dmitri Schostakowitsch
Violinkonzert Nr. 2 cis-moll op. 129 (1967)

In diesem – David Oistrach gewidmeten und von diesem am 26. September 1967 uraufgeführten – Konzert setzt sich die für Schostakowitschs Spätstil charakteristische, besonders auch in seinen Streichquartetten zu beobachtende Tendenz zur hohen Konzentration und Dramatik durch äußerste Sparsamkeit und Reduktion des Satzes fort. Nüchternheit und ethischer Appell tritt auch hier an die Stelle illusionsseliger Romantik, deren Bruchstücken Schostakowitsch einen unwahrscheinlichen Grad an Herbheit abgewinnt. Bach wird als Bezugspunkt deutlich etwa bei Ziffer 39 in der Anspielung auf seine Arie Ich will bei meinem Jesu wachen.

In der Melodik, deren komplizierte Elemente für Schostakowitsch seit den zwanziger Jahren feststanden, setzt sich der Prozess der Atomisierung fort, durch den die Bedeutung des Partikels, der motivischen Zelle ins Substanzbestimmende wächst. Diese Musik lebt aus ihren Mikrostrukturen – darunter bleibt der Boden düster und rätselhaft. Schostakowitsch hat hier die gebahnten Wege der damaligen Neuen Musik weit hinter sich gelassen und sich in ein eigenes Gebäude geheimnisvoller Chiffren zurückgezogen, deren Botschaft am Ende etwas Zeit- und Situationsgebundenes hat: hauptsächlich in Ländern des ‚realen Sozialismus‘ wurde auf diesem Weg – etwa von Edison Denissow – weiterkomponiert. Zitate und Embleme wollen dabei entschlüsselt sein – auch in der Kadenz des dritten Satzes begegnet nochmals ein Bach-Zitat, am Schluss des zweiten Satzes wird die Stilwelt Wagners evoziert. (Parallelen bietet die anspielungsreiche letzte fünfzehnte Symphonie) Formal lässt sich das Konzert vielleicht auf den Nenner bringen, dass eine klassische Form in der Zerstörung und Zerstückelung aufgehoben und bewahrt wird.
Detlef Gojowy

© Csampai / Holland: Der Konzertführer. Rowohlt Verlag.