Symphonie Nr. 9 Es-dur op. 70 (1945)

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t1 Konzertführer
Dmitri Schostakowitsch
Symphonie Nr. 9 Es-dur op. 70 (1945)

Bei dieser am 3. November 1945 in Leningrad unter Mrawinskij uraufgeführten fünfsätzigen Symphonie wurde gerade das Nicht-Monumentale, unbeschwert Heitere, Unbombastische Schostakowitsch zum Vorwurf gemacht. Eine pathetische Apotheose zur Feier des Sieges wäre gerade von einer ‚Neunten Symphonie‘ erwartet worden, und Schostakowitsch enttäuschte diese Erwartung mit einem Stück von stellenweise ausgelassenem Mutwillen, der auch Ausflüge ins Triviale nicht scheut. Die Symphonie reiht sich so an seine theatralischen Eskapaden der frühen dreißiger Jahre (wir finden hier wieder die parodistisch zeichnende Solotrompete); dies alles profitiert aber von der Seriosität und der strengen Form seines neugewonnenen Klassizismus.
Zu den parodistischen Mitteln gehört – hier besonders ausgeprägt – eine harmonische Technik der „eristischen Modulationen“, des willkürlich rückenden Melodieniveaus und der unvermuteten melodischen Wendungen. Der Rückgriff auf Triviales ist keineswegs ein Zugeständnis an ‚Realismus‘-Forderungen, sondern geschieht mit souveräner Freude am Spott. Tatsächlich scheint die Düsternis seiner sonstigen Schöpfungen hier zurückgedrängt, fast völlig überwunden in einer an Haydn erinnernden, naiven Heiterkeit.
Detlef Gojowy

© Csampai / Holland: Der Konzertführer. Rowohlt Verlag.