Französische Komponisten

Zurück
t1 Konzertführer
Charles Gounod, Léo Delibes, Jules Massenet, Ernest Chausson
Französische Komponisten

Charles Gounod (1818 – 1893)
Léo Delibes (1836 – 1891)
Jules Massenet (1842 – 1912)
Ernest Chausson (1855 – 1899)
Vincent D’Indy (1851 – 1931)

Komponistenpersönlichkeiten, die der erbarmungslose Richterspruch der Geschichte alsbald in den Rang von Kleinmeistern versetzt (wenn er sie nicht gar völliger Vergessenheit überantwortet), genießen mitunter das zweifelhafte Privileg, in der Biographie Bedeutenderer zu figurieren – als akademische Lehr- und Zuchtmeister, die manchmal zu Förderern, nicht selten aber auch nach Kräften zu Verhinderern ingeniöser Leistungen bei Spätergeborenen zu werden trachteten. Auch einige Herrschaften der folgenden Galerie wären in diesem Zusammenhang zu nennen – auf D‘Indy traf das zum Beispiel in späteren Jahren zu, auch auf Massenet, mit dem der junge Debussy haderte. Weniger gilt es für Charles Gounod (1818 – 1893), der sich in den Jahren vor seinem Tode, nachdem der Krieg ihn 1870 aus Paris vertrieben hatte (er lebte bis 1875 in London), hauptsächlich mit Kirchenmusik beschäftigte, die ihn auch am Anfang seiner Laufbahn lebhaft anzog (er hörte als junger Mann theologische Vorlesungen und trug sich mit dem Gedanken, Priester zu werden). 1859 erntete er mit seiner Oper Faust den größten und dauerhaftesten Erfolg (dieses Werk lief seither in deutschen Landen unter dem Titel Margarethe – aus falsch verstandener Goethe-Pietät). Gewissermaßen im Vorfeld zu dieser Oper komponierte er 1855 seine beiden klassizistischen Symphonien. Die Zweite in Es-dur kann als ein Ausbund an formaler Eleganz und thematischer Frische der Bizet‘schen Jugendsymphonie an die Seite gestellt werden. Nach einer knappen Adagio-Einleitung ertönt im Kopfsatz ein ‚singendes‘ Allegro im Dreivierteltakt (das Vorbild des Mozart‘schen KV 543 wird schon durch die gleiche Tonart namhaft gemacht). In dem ‚schleichenden‘ Beginn und den chromatisch angefärbten aufsteigenden Linien des langsamen Satzes lässt sich bereits eine Vorahnung des Faust-Orchesteranfangs erkennen. Dem pikanten Scherzo folgt ein spritziges Finale, das durch die nur selten unterbrochene Präsenz der quirlig drauflosspielenden ersten Violinen fast einen Perpetuum mobile-Charakter bekommt.

Léo Delibes (1836 – 1891) ist als Opernkomponist noch nicht ganz vergessen; fest im konservativen Ballettrepertoire stehen Coppelia (1870) und Sylvia (1876). Möglich, dass sich einige gefällige Piecen aus diesen Werken, einzeln oder in ansprechende Suiten verpackt, gelegentlich auch noch in Orchesterkonzertprogramme (am ehesten als Zugabenstücke) verirren. Eine erstaunliche Renaissance erlebten in den letzten Jahrzehnten die sängerisch dankbaren Opern von Jules Massenet (1842 – 1912), deren geschmeidig-melodiöser Orchestersatz wohl auch von Puccini aufmerksam studiert wurde. Von den nicht wenigen Orchesterwerken Massenets – zwischen 1865 und 1887 entstanden unter anderem drei Ouvertüren, die Tondichtung Visions und sieben ausgewachsene Suiten – taucht so gut wie niemals mehr etwas auf. Zu den frühen französischen Wagnerianern gehörte neben Emanuel Chabrier (der als Chordirektor an der Pariser Erstaufführung von Tristan und Isolde mitwirkte) auch Ernest Chausson (1855 – 1899); er kam durch einen Fahrradunfall ums Leben. Seine postum in Brüssel uraufgeführte Oper Le roi Arthus ist eindrucksvolles Exempel der französischen Wagner-Nachfolge. Als Orchesterkomponist zählt Chausson mit einer Symphonie B-dur und den Tondichtungen Viviane und Soir de fête zu den unbestrittenen Begründern des impressionistischen Stils. Er war Schüler Massenets und César Francks.

Vincent D‘Indy (1851 – 1931) stammte aus einer südfranzösischen Adelsfamilie. Er war Schüler von Franck, weilte 1873 zwei Monate bei Liszt in Weimar und nahm 1876 an den ersten Bayreuther Festspielen teil. 1896 wurde er Mitbegründer der Schola Cantorum, die dem konservativen Conservatoire Konkurrenz machte. Obwohl Autor einiger Opern, verstand sich D‘Indy in erster Linie als Symphoniker; viele seiner Orchesterwerke sind programmmusikalisch orientiert. Der stilistische Radius einer feinsinnigen, später auch akademisch erstarrten Wagner-Nachfolge wird kaum überschritten. Möglich freilich, dass es in diesem reichen Oeuvre noch einiges zu entdecken gäbe.

Hans-Klaus Jungheinrich

© Csampai / Holland: Der Konzertführer. Rowohlt Verlag.