Dritte Symphonie op. 27 (Sinfonia espansiva)

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t1 Konzertführer
Carl Nielsen
Dritte Symphonie op. 27 (Sinfonia espansiva)

Freiere Rhythmisierung kombiniert mit melodischen Steigerungsmomenten, extremer Einsatz der ganzen Palette orchestraler Mittel ohne damit vordergründige Effekte zu erzielen, andauernder Wechsel des Führungsanspruchs im Orchestersatz und in der Folge die eingeschränkte Vorherrschaft der Streicher, ein Walzer mit polytonaler Tendenz – all das kennzeichnet den Eingangssatz der 1912 uraufgeführten dritten Symphonie (Allegro espansivo). Gleichzeitig sind dies alles Wegemarken auf dem konsequenten Pfad zum Bruch mit der Tradition. Das Aufbrechen der vokalen Latenz in der Melodik Nielsens durch die Integration zweier auf Vokalisen singenden Stimmen (Andante pastorale), die Konstruktion einer Art ‚harmonisches Niemandsland‘, in dem eine gewöhnliche Sequenz wie ein Fremdkörper klingt (Allegretto un poco), letztlich ein an die Symphonik Mahlers gemahnendes orchestrales Idiom verdeutlichen die errungene Sicherheit Nielsens im symphonischen Kalkül. (Vieles davon musste der Partiturrevision Fritz Buschs 1939 weichen, der die Originalität der Instrumentation, damit die Fremdheit des Klangkolorits unter das Primat spätromantischer Idealvorstellungen zwang und die Partitur „bereinigte“.)
Norbert Bolin

© Csampai / Holland: Der Konzertführer. Rowohlt Verlag.