Bruno Maderna

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t1 Konzertführer
Bruno Maderna
Bruno Maderna

Venedig, 21. April 1920 – Darmstadt, 13. November 1973

Bruno Maderna, in jungen Jahren als Wunderkind herumgereicht, war der Sänger des Serialismus. Ab 1954 wirkte er in Darmstadt bei den Ferienkursen, gefragt war er zumeist als Interpret, denn mit einer ihm eigenen Selbstlosigkeit studierte er unermüdlich neu entstandene Kompositionen ein. Seine eigene kompositorische Arbeit wurde an den Rand gedrängt. Doch vieles, was er dennoch schaffen konnte, dürfte das weit überdauern, was damals oft vorschnell in das Zentrum des Interesses und des Aufsehens rückte.

Madernas Partituren bestechen durch eine außerordentliche Musikalität, durch Liebe zum genau ausgehörten Ton und zur sinnfälligen Melodie, durch filigrane Genauigkeit des Satzes. Wie auch der Mensch Maderna selbst drängen sich seine Arbeiten nicht nach vorn, sie verzichten weitgehend auf einen auftrumpfenden Gestus. Diese Begriffe könnten wohl auf eine kompositorische Haltung deuten, die gleichsam in konservativerem Geiste verlorengegangene Werte zu retten sucht und hierbei zu klischeeartigen Kompositionsmustern greift. Dies aber ist niemals der Fall, Madernas Musik legt sich selbst gegenüber stets Rechenschaft ab, sensibel spürt sie etwaigen Aufweichungen ihrer selbst gesetzten Prämissen nach, unnachgiebig sind Elemente, die nach vorschnellem Einverständnis heischen, getilgt. Ein wacher Geist, ein offenes Ohr prägen die musikalischen Strukturen, die im Erklingen eine spontan faszinierende Spannung erzeugen, die nirgendwo abreißt. Alle seriellen Techniken, dazu Aleatorik, offene Form, Klangverzerrungen oder auch – allerdings äußerst differenzierte – Zitattechniken sind Maderna vertraut, bei nur wenigen Komponisten aber wirken sie so selbstverständlich, so musikalisch logisch und notwendig wie bei ihm. Die Musik tut dem Hörer Ehre an, indem sie auf dessen Schärfe und Genauigkeit des Wahrnehmens baut. Dass seine Kompositionen nach dem frühen Tod Madernas im Zuge von Zeitströmungen, die zu seiner Musik konträr standen, zurückgedrängt wurden, sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass sein Werk mit Sicherheit fortbestehen wird. Die Impulse, die er gab, sind bei weitem noch nicht ausgelotet.

An wichtigen Kompositionen sind zu nennen: drei Oboenkonzerte (1962; 1968; 1973), die Orchesterwerke Biogramma und Aura (beide 1972), die Juilliard Serenade für Klavier und Orchester (1971) und schließlich ein Konzert für Violine und Orchester (1969). Letzteres Werk zählt zweifelsohne zu den aufregendsten Konzertwerken in der zweiten Hälfte unseres Jahrhunderts. Es ist bei übergeordneter Dreiteiligkeit in sieben unterschiedlich besetzte Abschnitte gegliedert: antivirtuose und äußerst empfindsame Kadenzen, kammermusikalische Einschübe (ein Quartett und ein Quintett), schließlich genau differenzierte und doch massive Tutti-Partien. Alles aber fließt in bestechender Schlüssigkeit zu einem Ganzen zusammen. Trotz der relativ umfangreichen Anlage des Werkes (ca. 35 Minuten Dauer) lässt die Musik zu keinem Moment in ihrer immensen Innenspannung nach. Diese Beobachtung kompositorischer Qualität jedoch gilt für alle Kompositionen Bruno Madernas.

Reinhard Schulz

© Csampai / Holland: Der Konzertführer. Rowohlt Verlag.