Streichquartett mit Orchester

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t1 Konzertführer
Bohuslav Martinů
Streichquartett mit Orchester

Die Tradition des ‚Concertant-Konzerts‘ aus dem frühen 19. Jahrhundert – Beispiele sind etwa Beethovens Tripelkonzert op. 56 oder Spohrs Quartettkonzert op. 131 – wird hier in einer ganz anders gearbeiteten Form wiederaufgenommen. Der erste Satz basiert auf einer ‚Zelle‘, die sowohl für die vier Solisten wie auch für das Tutti die alleinige Basis der musikalischen Entwicklung bildet; sie wird in ihrer Urform, nach einem einleitenden Tutti-Akkord, vom Quartett vorgestellt. Im Verlauf des Satzes treten Partien mit Durchführungscharakter auf, die – über die Entfaltung der ‚Zelle‘ hinaus – deren verschiedene Varianten zusammenführen; die übliche dreiteilige Sonatenform ist aufgegeben. Ähnliches gilt für das zweiteilige Adagio, dessen ‚Zelle‘ eine chromatische Skalenbewegung ist. Nur der Schlusssatz hat eine überkommene Form: Ein Rondo mit drei Couplets, dessen Hauptthema jeweils wiederkehrt; es wird zu Beginn von den Holzbläsern intoniert.

Die Pariser Jahre brachten Martinū nicht nur die volle Entfaltung seiner schöpferischen Kräfte, sondern auch Anerkennung in ganz Europa. Der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs schien zunächst aber alles Erreichte in Frage zu stellen: Als sich im Juni 1940 deutsche Truppen Paris näherten, verließ der Komponist eilends die französische Hauptstadt und gelangte im März 1941 schließlich – unter Zurücklassung beinahe sämtlicher Manuskripte – in die USA. Hier hatte ihn der Chef des Boston Symphony Orchestra, der aus Russland stammende Sergej Koussewitzky, bereits Ende der zwanziger Jahre bekannt gemacht, sodass sich Martinūs Sorgen um die Zukunft bald als unbegründet herausstellten. Koussewitzkys Auftrag zur Komposition eines Orchesterwerkes wurde zum Anstoß der von 1942 an in jährlichem Abstand geschriebenen Symphonien Nr. 1-5.
Hartmut Becker

© Csampai / Holland: Der Konzertführer. Rowohlt Verlag.