Bedřich Smetana

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t1 Konzertführer
Bedřich Smetana
Bedřich Smetana

Leitomischl, 2. März 1824 – Prag, 12. Mai 1884

Die künstlerische Biographie Smetanas ist von politischen Kämpfen und tiefer persönlicher Tragik überschattet. Der am 2. März 1824 in Leitomischl als Sohn einer großbürgerlichen Familie Geborene schlug zunächst die Laufbahn eines Pianisten ein, der für sein Instrument komponierte. Er erregte die Aufmerksamkeit Franz Liszts, der ihm einen Verleger verschaffte; in Prag konnte Smetana ein Musikinstitut eröffnen. Seine Ambition aber war nicht pädagogischer, sondern schöpferischer Art. Das 1853 geschriebene erste Orchesterwerk, die viersätzige Triumph-Symphonie, spiegelt die Hoffnung des Patrioten auf mehr nationale Souveränität seines Volkes innerhalb der Donaumonarchie (das dem Kaiser zu dessen Vermählung dedizierte Werk zitiert im langsamen Satz ausführlich Haydns Kaiserhymne, die als Apotheose auch das Finale krönt). Die erhoffte Wirkung blieb indessen aus. Smetana wandte sich 1856 nach Schweden, wo er bis 1861 als Pianist und Dirigent der Göteborger Abonnementskonzerte sich bewährte und seine ersten Versuche mit symphonischer Programmmusik unternahm. In die Göteborger Zeit fällt der Tod seiner ersten Gattin, aber auch die Erkenntnis seiner Aufgabe, an der Schaffung einer nationalen Tonkunst mitzuwirken.

Sind die beiden 1858 und 1861 geschriebenen symphonischen Dichtungen Richard III. op. II und Hakon Jarl op.16 noch sowohl formal wie in der Wahl des literarischen Sujets (nach Shakespeare bzw. dem dänischen Dichter Oehlenschläger) noch ganz nach Liszts Vorbild gestaltet, zu dessen Gefolgsmann sich Smetana zeitlebens bekannte, so fällt an Wallensteins Lager op. 14 (1859) bereits eine nationale Färbung auf: Schon begegnen Polka und Marsch, zwei wesentliche Musiziertypen bei Smetana; er selbst lokalisierte den Schauplatz des Schiller‘schen Dramas in der Nähe von Pilsen, also dem engeren Umkreis seiner Geburtsstadt. Formal ist Wallensteins Lager eine durchkomponierte und formal komprimierte viersätzige Symphonie, wie die vier Jahrzehnte später entstandene Mittagshexe, op. 108 von Dvořák.

Nach Rückkehr in die Heimat geriet Smetana in den Strudel der Kämpfe zwischen konservativen ‚Alt-Tschechen‘ und progressiven ‚Jung-Tschechen‘, auf deren Seite er als Parteigänger von Liszt und Wagner stand. Unermüdlicher Fleiß und der Erfolg als Opernkomponist führten schließlich zu seiner Ernennung zum Dirigenten des 1862 eröffneten Nationaltheaters (1866). Diese äußerlich so glanzvollen Jahre, in denen neben den großen Werken der Klassik und frühen Romantik auch solche von jungen tschechischen Komponisten auf den Programmen standen (Dvořák, Fibich, Blodek und Bendl), waren dennoch reich an Intrigen und Kämpfen gegen angebliche ‚Ausländerei‘ des von den Alt-Tschechen als Wagner-Epigone verteufelten Smetana. Die Erfolge in der Oper wie in den philharmonischen Konzerten sprachen für sich, doch untergruben die fortwährenden Angriffe und Diffamierungen letztlich seine Gesundheit. Die Katastrophe bahnte sich an, als der Komponist im Sommer 1874 an Störungen des Gehörs und des Gleichgewichtssinnes zu leiden begann; im September gab er sein Amt als musikalischer Leiter des Theaters ab. Nur wenige Wochen darauf ertaubte Smetana mit einem Schlag vollständig. Alle Versuche der nächsten Jahre, diesen für einen Musiker so qualvollen Zustand wenigstens zu lindern, schlugen fehl, raubten lediglich die letzten finanziellen Rücklagen. Alle Werke, die Smetana ab Herbst 1874 komponierte, darunter die vier letzten Opern, die beiden Streichquartette und – als sein neben der Verkauften Braut wohl berühmtestes Werk – der sechsteilige Zyklus symphonischer Dichtungen Mein Vaterland, sind von einem gänzlich Ertaubten geschrieben worden.
Hartmut Becker

© Csampai / Holland: Der Konzertführer. Rowohlt Verlag.