Musik hat schon Revolution angezettelt. Sie hat auch Elefanten tanzen lassen und selbstverständlich immer wieder Menschen so aufgebracht, dass sie gewaltätig wurden. Nun, hier kommt noch eine Geschichte der Kategorie "Außergewöhnliche außermusikalische Leistungen der Musik". Diesmal: die Überwindung der sozialen Klasse.
Wir beginnen am 12. Mai 1739 im heute tschechischen Nechanice, eine kleine ostböhmische Stadt, in der Anfang 2018 knapp zweieinhalb Tausend Menschen wohnten. 1739 waren es wohl nochmal deutlich weniger. An jenem Maitag kommt Johann Baptist Vaňhal zur Welt. In arme Verhältnisse wird er geboren und gehört nicht mal sich selbst, sondern als Leibeigener seiner Gräfin Schaffgotsch. Der kleine Bauernsohn Johann Baptist geht brav in den Kirchenchor und übt wohl auch fleißig an der Orgel, denn immerhin kann er bald daran solche Erfolge feiern, dass seine Besitzerin ihn später nach Wien schickt. Dort finanziert sie ihm Unterrichtsstunden bei Carl Ditters von Dittersdorf. Johann Baptist ist da mittlerweile 22 Jahre alt.
Der Komponist Johann Baptist Vaňhal.
(Foto: Public Domain)Nach acht Jahren bei Dittersdorf zieht es ihn nach Italien, wo er beginnt, Opern zu schreiben. Dann reist er durch Kroatien und Ungarn, komponiert, reist, lernt, bis er sich schließlich 1780 ganz in Wien niederlässt. Jetzt ist er 41. Der kleine Bauernsohn hat sich zu einem angesehen Komponisten entwickelt: Seine Werke werden teils groß gefeiert, er produziert neue wie am Fließband und kann damit, samt dem Lohn für seinen Unterricht, sein Leben selbst finanzieren. Im ausgehenden 18. Jahrhundert ist das schon eine Besonderheit. Vaňhal gilt als einer der ersten Komponisten überhaupt, denen das gelang. Noch dazu hat sich etwas Grundsätzliches verändert: Mittlerweile ist er ein freier Mann. Im Alter von dreißig Jahren schafft er es tatsächlich, sich freizukaufen. Der spätere American Dream war damals noch böhmisch.
In Wien dieser Tage kam man als Komponist um einen besonders großen natürlich nicht herum: Mozart. Die beiden kannten und schätzten sich. Wolfgang Amadeus führte sogar Johann Baptists Violinkonzert begeistert urauf. Oder sie musizierten gemeinsam: 1784 kommen vier befreundete Komponisten zusammen und spielen für den kleinen Kreis. Sie alle sind bekannt: Carl Ditters von Dittersdorf und Joseph Haydn spielten Geige, Wolfgang Amadeus Mozart die Viola und Johann Baptist Vaňhal das Cello. Eine solch geballte Prominenz füllt heute Hallen.
Die Musik verhalf Vaňhal seinen ärmlichen Verhältnissen zu entkommen, ja, sogar seine soziale Klasse zu überwinden und sich zu befreien. Zurückgegeben hat er ihr viele Werke – darunter eine wirkliche Rarität. Es wirkt so als hätte Vaňhal nie vergessen, woher er kam, und für die scheinbar Unbedeutenden einen Blick zu haben, denn er schreibt ein Konzert für das seltene Soloinstrument Kontrabass.
Der letzte der drei Sätze von Vaňhals Kontrabasskonzert.
Die insgesamt hohe Lage des Konzerts lässt darauf schließen, dass der Solist der Uraufführung ein sehr guter gewesen sein muss. Bis heute taucht Vaňhals Konzert auf den meisten der seltenen Kontrabass-Alben auf. ¶