Das Programm steht, der Kartenverkauf ist schon in vollem Gange. Am 8. Oktober 1908 soll Jacques Offenbachs Les Contes d’Hoffmann an der Wiener Hofoper Premiere feiern, da bricht in einem Mitarbeiter die blanke Panik aus: Das Stück ist Teufelswerk! Die Premiere wurde gestrichen, das Stück flog vom Spielplan – und das alles wegen einer Legende und einem traurigen Unfall.
27 Jahre zuvor hatte sich am Wiener Ringtheater ein Desaster ereignet. Am 8. Dezember 1881 um 19 Uhr – die Zuschauer hatten bereits ihre Plätze eingenommen und warteten – wurde in fünf Schaukästen hinter der Bühne die Gasbeleuchtung entzündet. Eine Lampe hatte ein Leck – beim nächsten Zündversuch dann der Knall. Feuer sprang auf die Kulissenzüge über, fraß sich in die Bühne und schließlich vor in den Zuschauerraum. Auf der Bühne sollte gerade die zweite Aufführung von Les Contes d’Hoffmann beginnen, doch hier sollte kein Ton mehr erklingen, nie wieder. 400 Menschen starben elendig in den Flammen, der Direktor Franz Ritter von Jauner wurde zu drei Jahren Haft wegen Fahrlässigkeit verurteilt. Er kam dank eines kaiserlichen Gnadenerlasses schnell wieder frei.
Das Stück stand von Anfang an unter keinem guten Stern. 1877 sollte es am Théâtre Lyrique in Paris uraufgeführt werden, doch das Theater machte bankrott. Offenbach starb schließlich vor der Uraufführung. Vielleicht bereits ein düsterer Wink des Schicksals, vielleicht für ihn besser so, denn das was folgte, schien wie verhext. Der dunkle Mythos wurde durch den Stoff selbst befeuert: In jedem Akt der Oper treibt der Teufel in verschiedenen Rollen und Gestalten sein Unwesen; erst als dämonischer Stadtrat Lindorf, dann als mysteriöser Händler Coppélius, später im Körper des gespenstischen Dr. Miracle und schließlich als Zauberer Dapertutto. So ein Stück musste vom Höllenfürsten selbst besessen sein, und er schickte Feuer.
Dapertutto besingt einen Diamanten, der ihm Macht über die Frauen gibt.
Jahrzehntelang lag ein Schleier der Angst über der Oper. Niemand traute sich, sie auf den Spielplan zu setzen, denn niemand wollte sich den Teufel ins Haus holen. Tatsächlich folgten noch einige, seltsame Vorfälle: Am 25. Dezember 1913 kam es beispielsweise an der Dessauer Hofoper wieder zu einem Brand, als Les Contes d’Hoffmann gezeigt wurde. Wenig später brannte auch dieses Theater vollkommen ab; ab da wurde die Partitur weggeschlossen, für lange Zeit.
Heute ist die Oper lange ins Repertoire übergegangen und die damaligen Vorfälle sind kein schwarzes Wunder mehr: Gas- und Öllampen, leicht brennbare Vorhänge und Kulissen, fehlender baulicher Brandschutz und eine Oper, die nicht gerade mit Spezialeffekten spart – das konnte nur schiefgehen. Bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts blieb das Werk der Bühne fern, 1933-35 erst recht. Doch hier war es ein anderer Teufel, der Offenbachs Musik verhinderte – wegen dessen jüdischer Herkunft. ¶