Musikgeschichten: 17. August (1880)

Paganini des Nordens: Der Tausendsassa Ole Bull

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Kornelia Bittmann
Kornelia Bittmann
17.08.2018

Gespielt hat er offenbar wirklich gut, das bezeugen berufene Zeitgenossen. Aber darüber hinaus muss etwas Besonderes um sein Spiel gewesen sein, etwas Unbehauenes – vielleicht das Echo der nordischen Bergwelt, in die sich das Meer einschneidet. Ole Bull hatte den Steg seiner Geige abgefeilt, um auf mehr als zwei Saiten gleichzeitig zu spielen – ein Anklang an die folkloristische Hardangerfiedel.

„Er hat sein Instrument ganz merkwürdig in der Gewalt“, schreibt der Geigenstar-Kollege Joseph Joachim. Als „eine Art wildes Genie“ bezeichnet ihn Franz Liszt. Robert Schumann rätselt in einem Brief an Clara: „Er gehört zu den Allerersten und ist doch noch ein Schüler. Verstehst Du das? Ich selbst nicht eigentlich.“

Ole Bull
Der Geiger Ole Bull (Foto: Creative Commons)

Bei aller Magie versteht sich Ole Bull auch aufs Marketing. Noch vor seiner USA-Tournee lässt er Seifen mit seinem Monogramm unter die Leute bringen. Als er endlich kommt, liegt ihm eine gewaschene Nation zu Füßen. Dass auch der Applaus das Ergebnis seiner Geschäftstüchtigkeit ist, erwähnt Heinrich Heine 1843:

»Die Violinisten sind in Amerika, und wir erhielten die ergötzlichsten Nachrichten über die Triumphzüge von Ole Bull, dem Lafayette des Puffs, dem Reklamenheld beider Welten. Der Entrepreneur seiner Sukzesse ließ ihn zu Philadelphia arretieren, um ihn zu zwingen, die in Rechnung gestellten Ovationskosten zu berichtigen. Der Gefeierte zahlte, und man kann jetzt nicht mehr sagen, daß der blonde Normanne, der geniale Geiger, seinen Ruhm jemandem schuldig sei.«

Selbst beim Spötter Heine kommt Ole Bull vergleichsweise gut weg, einen anderen Virtuosen nennt er „geigendes Brechpulver“.

Das Geigen ist dem Großverdiener Ole Bull aber nicht genug: Er macht sich für die Unabhängigkeit Norwegens von Dänemark stark, lässt in Bergen das erste norwegischsprachige Theater bauen, lernt Geigenbau, gründet in Pennsylvania die norwegische Kolonie Oleana (deren Bewohner wegen schlechter Ackerböden bald wieder abziehen) und errichtet auf der Insel Lysøya bei Bergen eine Residenz im Alhambra-Stil. An seinem 66. Geburtstag macht er von sich reden, als er auf der Spitze der Cheops-Pyramide seinen „Sæterbesøg“ (Almbesuch) spielt – ein Versprechen, das er dem schwedischen König gegeben hat.

Komposition von Ole Bull

Am 17. August 1880 erliegt Ole Bull im Alter von 70 Jahren einem Krebsleiden. Der Trauerzug führt erst durch ein schwarzumflortes Bergen, dann per Schiffskonvoi nach Lysøya. Ole Bulls Neffe Edvard Grieg spielt die Orgel, und Norwegen betrauert seinen ersten Superstar. Bis heute hält der Museumsshop auf Lysøya Ole-Bull-Seife bereit. ¶

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