Musikgeschichten: 16. April (1849)

Meyerbeers Erfolgsoper „Der Prophet“

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Martin Geck †
Martin Geck †
16.04.2022

Der Erfolg von Giacomo Meyerbeers großer Oper Le Prophète war beispiellos: Die Einnahmen der ersten Vorstellungen erbrachten allabendlich Spitzenwerte von etwa 10.000 Francs. Für die Partitur erhielt der Komponist von seinen Verlegern den Rekordpreis von 19.000 Francs. Solches spielten die Verlagsrechte mühelos wieder ein: Sie lagen bei 444.000 Franc.

Rekordverdächtig war auch die Inszenierung. Einmal das Schlittschuh-Ballett: Vor einer pittoresken Winterlandschaft glitten die Tänzerinnen und Tänzer auf Rollschuhen durch die Landschaft vor den Toren der Stadt Münster, die die Wiedertäufer regierten. Zum anderen der inszenatorische Schlusseffekt einer Feuersbrunst: Der Prophet sprengt sich nebst seiner Mutter und der kaiserlichen Soldateska, die ihm auf den Fersen ist, in die Luft; dazu geniale, Licht und Raucheffekte.

Giacomo Meyerbeer 1965 16 9
(Foto: Public Domain)

Freilich gab es auch reichlich musikalische Höhepunkte. Meyerbeer an seine Mutter in Berlin: “Das zweite Tableau des 4. Aktes, das in der Kirche spielt und 22 Minuten dauert, ist die Hauptszene des Stückes, sowohl als Gedicht, wie als Musik. Du kannst Dir denken, wie gespannt ich auf die Wirkung war. Gott sei Dank, die Wirkung hat meine Erwartungen übertroffen, man hat in dieser Szene wie in einer Tragödie geweint. Aber einen großen Teil der Wirkung bin ich der Viardot schuldig, die sich als Sängerin und Schauspielerin zu einer tragischen Höhe erhob, wie ich sie noch nie auf dem Theater gesehen habe.”

Der aus seinem Schweizer Exil zu Kontaktgesprächen nach Paris gereiste Richard Wagner lässt sich den Besuch beim Propheten nicht entgehen und berichtet daraufhin dem Freund Theodor Uhlig nach Dresden von einer der ersten Aufführungen:

»Ich fühle mich glücklich und erhoben, ließ alle wühlerischen Pläne fahren, die mir so gottlos erschienen, da doch das reine, hochheilige wahre und göttliche Menschliche schon so unmittelbar und warm in der Gegenwart lebt.«

Kaum glaublich, dass einige selbsternannte Musikexperten diese Sätze bis in die Gegenwart hinein für bare Münze genommen haben, obwohl sie vor Hohn triefen: Der gerade sein heilig-hehres Ring-Projekt angehende Meister ist von dem unleugbaren Publikumserfolg des Propheten – für ihn ein einziges Machwerk – in Wahrheit zutiefst angewidert. ¶

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