Musikgeschichten: 17. Oktober (1825)

Liszt im Liebesschloss

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Georg Holzer
Georg Holzer
17.10.2019

Symphonische Dichtungen, Oratorien, Konzerte und natürlich Klaviermusik: Franz Liszt hat in seinem langen Leben ein großes Werk geschaffen. Dass auch eine, freilich kleine, Oper dabei ist, wissen selbst viele Liszt-Fans nicht. Lange galt sie als verschollen, bis 1903 eine Partitur am Uraufführungsort auftauchte, in der Pariser Opéra Garnier.

Don Sancho
Kostümentwürfe zu Liszts Oper "Don Sanche ou le château d’amour". (Foto: Creative Commons)

Komponiert hat Liszt die kleine Oper Don Sanche ou le château d’amour (Don Sancho oder Das Liebesschloss) in den Jahren 1824/25 – da war er gerade dreizehn. Vermutlich hatte sein ehrgeiziger Vater ihn zu dieser Arbeit gedrängt, sein Kompositionslehrer Ferdinando Paër wohl bei der Orchestrierung geholfen. Die Story, die auf einer Erzählung von Jean-Pierre Claris de Florian beruht, ist ungefähr so handgestrickt wie ihr Titel. Ein deprimierter Zauberer baut ein Liebesschloss, in das nur glückliche Paare eintreten dürfen. Der Ritter Don Sanche würde gerne hinein, darf aber nicht, weil seine geliebte Elzire nicht so auf ihn steht wie er auf sie. Es braucht eine große Inszenierung seiner Tapferkeit und sogar die Vorspiegelung seines Todes, um die hartherzige Schöne zum Umdenken zu bewegen. Eine Geschichte nach dem Geschmack der Zeit, allerdings sogar für das frühe 19. Jahrhundert vielleicht ein bisschen zu harmlos.

Aber dem Pariser Publikum am 17. Oktober 1825 geht es auch nicht um einen großen Abend, sondern darum, ein Wunderkind zu feiern. Liszts frühe Biografin Lina Ramann schreibt:

»Als die Oper zu Ende war, kannte der Applaus kein Maß: Die Zuschauer riefen stürmisch nach ihrem Liebling und nach Nourrit, der die Titelpartie gesungen hatte. Der Sänger, eine stattliche und große Gestalt, nahm den jungen Komponisten, der für seine 14 Jahre noch klein war, auf den Arm und trug ihn vor das Publikum, das außer Rand und Band geriet.«

Franz Liszt blieb ernst, dem stolzen Vater Adam flossen die Tränen. Ohne die Präsenz des Wunderknaben blieb die Aufnahme in den folgenden Vorstellungen jedoch verhalten, jedenfalls wurde das frühe Meisterstück nach drei Aufführungen abgesetzt. Im folgenden Jahr war in einer Pariser Zeitung zu lesen: „Dieses Werk muss mit Nachsicht beurteilt werden.“

"Repose en paix" aus Liszts Oper "Don Sanche".

Tatsächlich war das Bühnenleben der kleinen Oper überschaubar. 2011 gruben einige europäische Theater das Stück zum Liszt-Jahr aus, auch in Bayreuth. Ein Kritiker brachte die Sache auf den Punkt:

»Statt einen eigenen Stil zu entwickeln, imitiert und zitiert sich Jung-Liszt munter durch die Musikgeschichte, es gluckst und mozartet, dann plötzlich glühen die Kehlen koloratös, während im Orchester die Hörner an ihre Grenzen kommen und sich die Streicher sämig durch Schmerz und Schmelz wuchten.«

Don Sanche ist keine große Musik, lässt sich aber gut und vergnüglich hören. Ihr Schöpfer dagegen sprach später ein hartes Urteil über seine Oper: „Weil es nichts war, wurde es auch nichts.“

Statt seine Opernarbeit fortzusetzen, kämpfte er als reifer Künstler lieber für die Musikdramen seines Schwiegersohns Richard Wagner. Liszt wusste, dass seine Blumen anderswo blühten. ¶

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