Was ist dieser Komponist vom stalinistischen Regime gebeutelt worden! Wegen seiner Oper Lady Macbeth von Mzensk wurde er als „Volksfeind“ abgestempelt. Für seine 7. Symphonie, die berühmte Leningrader, bekam er den Stalinpreis. Über seine 9. Symphonie wiederum lästerte der opportunistische Komponist und Parteischriftsteller Marian Kowal, den Schostakowitsch zu den ihn verfolgenden „Bluthunden“ zählte:
»Das ganze Volk umjubelt unseren genialen Führer Stalin. Schostakowitsch dagegen ist ein hässlicher Zwerg.«
Ein hässlicher Zwerg, jedenfalls nach Meinung der Partei: Schostakowitsch. (Foto: Roger & Renate Rössing, Deutsche Fotothek/Wikimedia Commons unter Verwendung der CC-Lizenz.)
Auf der anderen Seite pries Kowal die 7. Symphonie in der Rückschau in den höchsten Tönen: Als Ausdruck wahren Heldentums sei sie 1942 in dem von den Deutschen belagerten Leningrad vollendet worden. Von einem privaten Vorspiel vor Berufskollegen “berichtet” Kowal:
»Plötzlich drang von der Straße das gellende Heulen der Sirenen herein. Der Komponist endete den ersten Satz und kümmerte sich erst einmal darum, seine Frau und die beiden Kinder in den Schutzraum zu evakuieren. Begleitet von den dumpfen Explosionen der Flugabwehrraketen spielte er sodann den zweiten Satz und Fragmente aus dem dritten.«
Ringsum war Krieg, Schostakowitsch schrieb schnell: Der erste Satz seiner "Leningrader".
Der Komponist selbst schrieb in seinen umstrittenen, in diesem Punkt jedoch sicher authentischen Memoiren:
»Meine Siebte, die Leningrader Symphonie, schrieb ich rasch. Ich musste sie einfach schreiben. Ringsum war Krieg. Ich war mitten unter dem Volk, ich wollte ein Bild unseres kämpfenden Landes in Musik festhalten. Ich schrieb über meine Zeitgenossen. Die Kraft und Leben einsetzten für den Sieg über den Feind.«
Die Uraufführung fand am 5. März 1942 in Kuibyschew statt, wohin Schostakowitsch samt dem Orchester des Bolschoi-Theaters evakuiert worden war. Stalin betrachtete das Werk als Propagandawaffe und förderte demgemäß seine baldige Aufführung im Ausland. Berühmt wurde die Erstaufführung in New York durch Arturo Toscanini am 19. Juli 1942. Erst drei Wochen später konnte das Werk in Leningrad uraufgeführt werden – noch während der Blockade durch die Deutschen. Es spielten die unversehrt gebliebenen Mitglieder des Leningrader Rundfunkorchesters. ¶