Er war und bleibt bis heute eine umstrittene Person. In den USA betitelte man ihn als den “Dirigenten mit den blutigen Händen”, in Deutschland schimpfte man ihn „Hitlers gehätschelten Maestro“. – Hatte sich Wilhelm Furtwängler dem Nazi-Regime angebiedert? War er Hitlers Kultur-Lakai? Oder hat er am Ende, wie so viele, einfach “mitgespielt”, um dirigieren zu dürfen, weil es ihm um die Musik ging?
Unbestritten bleibt: Furtwängler ist eine der prägendsten Dirigentenpersönlichkeiten des vergangenen Jahrhunderts. 1922 folgt er Arthur Nikisch an das Pult der Berliner Philharmoniker und des Leipziger Gewandhausorchesters, das er später wieder abgibt, um die Wiener Philharmoniker zu leiten.
Wilhelm Furtwängler dirigiert die Berliner Philharmoniker.
(Foto: bpk)Die Nazis hofierten Furtwängler, er war das kulturpolitische Aushängeschild, 1933 wird er sogar Vizepräsident der Reichsmusikkammer. Doch sammelt man die Fakten, dann scheint Furtwängler doch eher auf Distanz zum Nazi-Regime zu sein. Er setzte sich früh für jüdische Musiker im Orchester ein, es folgte sogar ein offener Brief an Goebbels, in dem er die Diskriminierung anprangerte:
»Nur einen Trennungsstrich erkenne ich letzten Endes an: den zwischen guter und schlechter Kunst.«
Das sah Goebbels natürlich anders. Doch die Signale sind gegensätzlich: Mit Richard Strauss sorgte Furtwängler für den Ausschluss der meisten Juden aus der Reichsmusikkammer – was einem Auftrittsverbot gleichkam. Andererseits: wegen seines offenen Engagements gegen die Ächtung von Paul Hindemith 1934 musste er seine Ämter niederlegen, zumindest zeitweise.
Furtwängler dirigiert Hindemith
Nach der Kapitulation Deutschlands wurde Furtwängler durch die Alliierten einem langwierigen “Entnazifizierungsverfahren” unterzogen. Schon im Jahr darauf wird jedoch die Kritik aus den Reihen der Musiker selbst laut, unter ihnen Yehudi Menuhin und Paul Hindemith. Es folgt der Freispruch.
Am 25. Mai 1947 dirigiert Furtwängler erstmals wieder öffentlich die Berliner Philharmoniker. 15 Minuten dauert der Applaus, 16 Mal wird er auf das Podium gerufen. Nicht alle waren davon begeistert, die Journalistin Hilde Spiel betitelte das Konzert als Furtwänglers “Reinthronisierung”; die Aufführung von Beethovens Fünfter als eine Art Stammesritual, das “auf beklemmende Art die Wiedergeburt eines Mythos feiert”.
Furtwänglers erneuter Antritt bei den Berliner Philharmonikern.
Dieser Abend war ein Politikum. Dieser Mann, der schon damals die Meinungen spaltete – Stardirigent, Mitläufer, Nazi-Liebling – er war wieder da. Die Atmosphäre muss zum Schneiden gewesen sein. Und er dirigierte Beethoven mit einer Inbrunst, Kraft und Energie, das kann man auf einem erstaunlich klaren Mitschnitt erleben, die allen klargemacht haben dürfte: Ich bleibe. ¶