Als Maria Anna Walburga Ignatia Mozart am 30. Juli 1751 geboren wurde, hatte ihre Mutter bereits drei Kinder auf die Welt gebracht, die übers Babyalter nicht hinauskamen: der Erstgeborene Johann Joachim Leopold starb im Alter von sechs Monaten, Maria Anna Kordula sogar schon nach sechs Tagen, Marie Anna Nepomuzena Walburgis nach zwei Monaten. Nannerl, wie sie zuerst in der Familie und später auch von der Nachwelt genannt wurde, war das erste überlebende Kind des damaligen fürstbischöflichen Kammermusikus Leopold Mozart und dessen Frau Maria Anna Mozart, geborene Pertl. Auch die nächsten beiden Geschwister – Johann Karl Amadeus und Maria Crescentia Francisca de Paula – starben kurz nach der Geburt. Erst das siebte und letzte Kind, der am 27. Januar 1756 geborene Wolfgang Amadeus Mozart mit den Taufnamen Joannes Chrysostomus Wolfgangus Theophilus, konnte zwar bekanntlich leider nicht alt, aber fast 36 Jahre werden.
Überlebt: Das Nannerl
(Foto: Public Domain)Die hohe Säuglingssterblichkeit war Ende des 18. Jahrhunderts noch an der Tagesordnung, Krankheiten und Todesfälle sind auch und besonders in der Familie Mozart eine Konstante – und prägen das Leben der einzigen Tochter. Nannerl hat eine glückliche Kindheit, denn ihre Eltern ziehen sie – und später mehr noch ihren Bruder – mit Bedacht und Sorgfalt auf: Als Siebenjährige erhält sie ihren ersten Klavierunterricht, im Jahr darauf widmet Vater Leopold ihr sogar ein eigenes Notenbuch, das bald auch ihr musisch genialer Bruder intensiv nutzt. Da der Vater die angestrebte Hofkapellmeisterstelle in Salzburg nicht bekommen kann, setzt er früh auf seine beiden hochbegabten Kinder und geht mit ihnen ab 1762 regelmäßig und zunehmend intensiv auf Konzertreisen. Wunderkind Wolfgang sorgt überall für Aufsehen, aber auch seine fünf Jahre ältere Schwester kann zumindest als Pianistin punkten. Über einen Auftritt von Nannerl in Wien schrieb ein Kritiker:
»Stellen Sie sich einmal ein Mädgen von 11 Jahren vor, das die schwersten Sonaten und Concerte der grössten Meister auf dem Clavecin oder Flügel auf das Deutlichste, mit einer kaum glaublichen Leichtigkeit fertigt und nach dem besten Geschmack wegspielt. Das muß schon viele in eine Verwunderung setzen.«
Die Verwunderung stellte sich auch andernorts ein, an vielen Stationen im österreichischen In- und europäischen Ausland, wurde aber stets überlagert von der noch größeren Verwunderung über den jüngeren Bruder. Immerhin vermerkt Leopold 1764 stolz: „Mein Mädl ist eine der geschicktesten Spilerinnen in Europa“. Trotz aller künstlerischen Erfolge waren die Reisen doch strapaziös und von schweren Krankheiten begleitet: In Den Haag trifft der Typhus Nannerl beinahe tödlich, zwei Jahre später bekommt Wolfgang die Blattern und steckt seine Schwester an, und der gestresste Vater ist auch nicht die Gesundheit in Person. Von der Mutter ganz zu schweigen. Sie stirbt im Alter von 58 Jahren 1778 in Paris, wohin sie den Sohn begleitet hat.
Dass Nannerl nach ihrer letzten „Wunderkindreise“ 1768 zuhause in Salzburg bleiben musste, liegt schlichtweg an ihrem Alter: Mit sechzehn wurden angehende junge Frauen längst verheiratet – ein Schicksal, das sie erst später treffen sollte. Als bloße Klavierlehrerin sinkt sie in die künstlerische Bedeutungslosigkeit, findet aber Trost in ihrem christlichen Glauben und darin, die Familie zu unterstützen. Im Alter von 34 Jahren – es hat zuvor mindestens einen Heiratskandidaten ihrer Wahl gegeben – stimmt sie der vom Vater vorgeschlagenen Vernunftehe mit dem fünfzehn Jahre älteren verwitweten Johann Baptist Reichsfreiherr Berchtold von Sonnenburg zu, der ein Amtsnachfolger ihres Großvaters mütterlicherseits in St. Gilgen ist und fünf Kinder in die Ehe einbringt. Nannerl zieht nach St. Gilgen, ins Geburtshaus ihrer Mutter, und bekommt drei Kinder, von denen immerhin zwei – Leopold und Jeannette – das Kleinkindalter überleben und nach dem Tod ihres Mannes 1801 mit zurück nach Salzburg kommen. Als sie am 29. Oktober 1829 im hohen Alter von 78 Jahren und erblindet dort stirbt, hinterlässt sie nicht nur ein kleines Vermögen, sondern unter anderem von ihr abgeschriebene Werke ihres geliebten Bruders. ¶