Musikgeschichten: 14. Oktober (1777)

Ein Tag mit den Mozarts

Zurück
Holger Noltze
Holger Noltze
14.10.2022

Es gibt die bestens illuminierten Groß- und Hauptdaten der Musikgeschichte. Bachs Todestag. Eröffnung der Bayreuther Festspiele. Clara und Robert Schumann heiraten. Im Schatten solcher viel bedachten und beschriebenen Gipfeltage stehen die unbedeutenden, kaum je beachteten. Der 14. Oktober ist so ein armes, also jedenfalls ereignisarmes Datum. Ist das gerecht? Muss uns der Alltag der großen Genies der Musikgeschichte nicht auch interessieren? Und kann, sagen wir bei den Mozarts, wirklich einmal nichts Bedeutendes gewesen sein? Und falls ja, wäre nicht noch dies von Interesse?

Nehmen wir den 14. Oktober 1777. Mutter und Sohn Mozart, Maria Anna und der 21-jährige Wolfgang Amadé sind in Augsburg eingetroffen.

 

»Wür sind den 11ten Mittags um 12 uhr von München abgereiset, und abends 9 uhr gliklich in ausgspurg angelanget«

 

schreibt Mutter Mozart an Leopold nach Salzburg, und dass die Fahrt also bloß neun Stunden gedauert hat, obwohl die Pferde „darzue eine stunde gefuethert“ wurden. – Ist das interessant? Ein wenig, weil einem klar wird, wie weit der Weg von München nach Augsburg einmal war, neun Stunden, inklusive eine Stunde Pferdefüttern, und dass das schnell war und schon eine „glückliche“ Reise.

Unter den vierzeiligen Bericht der Mama hat der Amadeus dann eine ungefähr fünf Seiten lange Nachschrift gesetzt, Papa Leopold, dem man wohl nicht unrecht tut, ihn als Kontrollfreak zu bezeichnen, soll umständlich informiert werden, zum Beispiel über die höflichen Höflichkeiten der Augsburger, etwa des Herrn „Erz-stadtpfleger“, den er „Longotabaro“ nennt, was die mozartitalienische Übersetzung des Namens Langenmantel ist, und dem er die „unterthänigsten“ Grüße des Papa ausgerichtet habe. Dann habe er vor einer „langhachsigten gnädigen jungen frau“ und einer „einfältigen alten frau“

»so beyläufig ¾ stunde auf einem guten Clavicord von stein gespielt. Ich spiellte Phantasien, und endlich alles was er hatte Prima vista, unterandern sehr hübsche stücke von einem gewissen Edlmann. Das war alles in der grösten höfflichkeit, und ich war auch sehr höfflich.«

coffee 2757976 1280
Ein entspannter Nachmittag bei Mozarts? Unvorstellbar!

So sei er nunmal, usw. Einem dazukommenden Schwager des Langenmantel wird er nun als Klaviervirtuose vorgestellt. Amadeus: er sei nur ein „unwürdiger Scolar“, der andere: „sollte ich wol die Ehre haben den H: Mozart vor meiner zu haben?“ Worauf dieser verneint, „ich nenne mich trazom“. Dann geht man in ein verstunkenes „Cofféhaus“, wo Mozart vor Tabakrauch fast in Ohnmacht gefallen wäre und so fort.
Eigentlich ist nichts gewesen, aber bei Mozart ist nie nichts. Und was bei dem kurzen Besuch in Augsburg vielleicht doch war, mit seinem „Bäsle“ Maria Anna Thekla Mozart, können wir nur ahnen im Spiegel anderer Briefe, aber nicht an den Papa. ¶

2.000+ ausgewählte Videos
Regelmäßige exklusive Live-Konzerte aus aller Welt
Täglich neue Musik-Geschichten
Konzertführer
CD-Empfehlungen
Keine Werbung