Es existiert kein Instrument, das sich der menschlichen Stimme vergleichen ließe, fand schon William Byrd. Ob uns ein Gesang anspricht oder nicht, ist meist schnell klar; aber schwer zu sagen, warum. Jürgen Kesting, takt1-Kolumnist und einer der international führenden Experten der Gesangskunst, führt hier in diesen „Flaschenposten“ in das kleine und große Einmaleins des Kunstgesangs ein. In loser Folge geht es ums Wesentliche: um technische Themen, um zentrale Werke, vor allem aber um große Sängerinnen und Sänger. Ihre Aufnahmen, nicht wenige mehr als hundert Jahre alt, sind Flaschenpost einer vergangenen Zeit, nicht selten lehrreich fürs Heute.
In „Questa o quella“ aus Verdis Rigoletto stellt sich der Herzog als unwiderstehlicher Herzensdieb dar. Die 6/8-Ballata soll con eleganza gesungen werden. Enrico Carusos Aufnahme von 1908 endet nach 2:02“. Carlo Bergonzi erreicht das Ziel nach 1:58, Jussi Björling nach 1:55. Grund für den Zeitunterschied ist, dass insbesondere das Timing einiger Zielnoten – speziell des A, das von Caruso länger gedehnt wurde, noch länger (2:14) anno 1902. Aber hinsichtlich Rhythmus und...