Unterwegs in China, mit den famosen Symphonikern aus Bamberg. In Dalian, einer Viermillionen-Hafenstadt am Gelben Meer, einst eine Endstation der Transsibirischen Eisenbahn, spielen sie im Dalian People’s Cultural Club. Keiner der neuen High-Tech-Konzertsäle, wie sie gerade überall im Riesenreich errichtet werden; eher ein ehrwürdig in die Jahre gekommener Kinosaal. Hier gibt es Kultur aller Art, von Schwanensee bis Comedy, und an diesem Abend Bruchs erstes Violinkonzert, vorher Beethoven, Coriolan, danach Dvořáks Siebte. Das Publikum ist gut durchmischt, für europäische Maßstäbe ziemlich jung. Sie haben sich überwiegend nicht sehr piekfein gemacht für die Klassik. Was der These widerspricht, Beethoven und Mozart seien hier vor allem eine Sache symbolischen Konsums westlicher Premium-Kultur, bei dem man sich auch selbst gern zeigen möchte. Die Dalianer kommen ganz ungezwungen und nicht auf Knien und tun sich auch sonst keinen Zwang an.
Neuerscheinung: Ivo Kahanek und die Bamberger Symphoniker mit Dvořáks Klavierkonzert.
Bruch und Beethoven werden freundlich, wenn auch nicht eben euphorisch empfangen; offenbar werden die Eindrücke aus dem Cultural Club gleich mit den Lieben geteilt, oder der durch Musik kaum zu störende muntere We Chat-Traffic im Parkett gilt ganz anderem. Eingehende Nachrichten melden sich mit lustigen Signaltönen. Als Vilde Frang das Bruch-Adagio zu einem Moment fragilster Intimität machen möchte, piepst es gnadenlos ins Pianissimo, schade. Die Applauskurve danach nimmt einen eigenartigen Verlauf, denn nach kurzem starken Beginn verebbt es plötzlich, und man kann auch sehen, woran das liegt: Zum Filmen der Blumenübergabe mit dem Smartphone braucht es beide Hände.
Die Bamberger Symphoniker.
(Foto: Andreas Herzau)Ein paar Tage danach, gleiches Programm, in Beijings futuristischem Centre of the Performing Arts. Eine andere Welt. Stille und gut gespannte Aufmerksamkeit im Saal. Wenn man Musikmachen als Mitteilung verstehen möchte: Hier scheint sie anzukommen. Vilde zaubert, und verzaubert, und schafft ihren Moment der Stille in einer Welt der Lautstärken. Erfahrene Chinafahrer unter den Bambergern wissen zu berichten, wie es vor ein paar Jahren auch hier noch unruhig war. Kein Anlass zur Überheblichkeit. Alles fließt, und die Geschichte dieser merkwürdigen ostwestlichen Begegnung ist noch nicht zu Ende. ¶