Warum Menschen in Gesangsvereine und Chöre gehen, sich singend um Lagerfeuer versammeln und sogar eine ziemlich riskante Karriere als Profi-Sänger versuchen, ist ganz klar: Singen macht glücklich. Die Stimme zu kontrollieren, wohlklingende Töne hervorzubringen, die sich mit anderen Stimmen oder Musikinstrumenten mischen, macht einfach unsagbar (nur singbar!) viel Spaß. Diesen Spaß haben nicht nur Menschen, sondern mindestens auch Vögel. Und die anderen Tiere? Geräusche gibt es viele in der Tierwelt, aber was davon kann man als Gesang bezeichnen?
Wer einen Zoo betritt, hat es dort mit allerhand tierischen Lauten zu tun, und wer sich ein bisschen auskennt und weiß, aus welcher Richtung sie jeweils kommen, kann sie oft gut zuordnen. Vor ein paar Tagen erlebte ich im mir wohlbekannten Nürnberger Tiergarten eine große Überraschung. Ein Sound wie der, den ich dort hörte, war mir völlig unbekannt. Ich vermutete erst einen exotischen Riesenvogel, aber als ich um eine Ecke bog, begegnete mir ein Sänger, der mir ziemlich verwandt vorkam: ein Affe. Im Gitter seines Außenkäfigs hing – wie ein Opernstar in einer Inszenierung von Calixto Bieito – ein Weißhand-Gibbon und sang. Er sang wirklich. Das waren keine Geräusche oder Laute, es war ganz klar Gesang mit Linien, einer gewissen Struktur, Trillern, Intervallen nach oben und unten, mit einer kräftige Mezzo-Stimme, die sogar ziemlich schön war.
Flauschig und talentiert: der Weißhandgibbon.
(Foto: Public Domain)Wenn Sie biologisch gebildet sind, halten Sie mich jetzt zu Recht für ahnungslos und ignorant, denn das Phänomen der singenden Affen ist in Fachkreisen wohlbekannt, wie mir eine kleine Recherche im Internet schnell bewiesen hat. Gibbons, die Kleinen Menschenaffen, singen meist morgens, alleine oder im Duett. Es gibt einen Unterschied zwischen den Gesängen der weiblichen und der männlichen Tiere. Ihre Gesangstechnik ist vermutlich aus sogenannten „loud calls“ entstanden, mit denen die Tiere miteinander kommunizierten. So ähnlich vermuten Anthropologen auch die Entstehung des Gesangs beim Menschen.
Der kleine Auflauf, der bald vor dem Affenkäfig entstand, zeigte mir, dass ich nicht der Einzige war, der noch nie einen singenden Affen gehört hatte. Die Leute schauten sich das musikalische Tier lachend und staunend an, mein Sohn und die anderen Kinder versuchten, seine Laute zu imitieren und mitzusingen. Dem äffischen Sänger schien die Aufmerksamkeit zu gefallen. Sein Konzert nahm kein Ende, immer neu schwang er sich durch die Tonleitern, die Triller wurden immer gewagter. Zugegeben, die melodischen Linien der Primat-Donna folgten keiner Harmonik aus dem Lehrbuch, aber die ist ja ohnehin schon seit über 100 Jahren passé.
Dass Komponisten sich an Vogelstimmen inspirieren, ist ein recht alter Hut, von Wagners Waldvögelein bis zu Messiaens Forschungen zu Musik und Ornithologie. Wie wäre es stattdessen mit einem Abstecher in die musikalische Welt der Primaten? Ein paar „loud calls“ könnten der Musikwelt vielleicht gut tun! ¶