THE SOCIETY OF MUSIC: 5. April 2023

Der Award-Award

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Georg Holzer
Georg Holzer
05.04.2023

Als ich den ersten und bisher einzigen Preis meines Lebens erhielt, bin ich vor Stolz fast geplatzt. Allerdings war ich Realist genug, um mir nicht zu viel darauf einzubilden. Das Preisgeld war für mich ein Vermögen, damals etwa vier hart erarbeitete Monatsgagen am Theater; für die große Stiftung, die den Preis vergab, waren es allerdings Peanuts. Und die prachtvolle Preisverleihung in der französischen Botschaft in Berlin kostete auf jeden Fall mehr als mein Preisgeld und das meiner Mit-Preisträgerin zusammen. Bei dieser Feierlichkeit, wo wir zwei Ausgezeichnete ganz klar die unwichtigsten Personen im Raum waren, wurde mir auch klar, dass eine Preisverleihung nicht in erster Linie zur Ehrung des Bepreisten dient, sondern vor allem zum höheren Glanz des Preisenden. Auf den damaligen Preis bin ich immer noch stolz, aber seitdem nehme ich Preise nicht mehr ganz so ernst.

Immerhin traf der Preis damals zwei Nobodies, was eher die Ausnahme ist. Üblicherweise läuft es so ab: Eine Gruppe von nicht ganz armen Privatleuten schließt sich zusammen, um einer bedeutenden Persönlichkeit einen Preis zu verleihen, die ihn sicher nicht nötig hat. Alle gefallen sich in gegenseitigen Lobpreisungen und feiern sich wechselseitig. Die Eingeladenen hören sich ein paar langweilige Reden an und hoffen darauf, dass ein guter Caterer beauftragt wurde, was in der Regel der Fall ist. Dann isst man ein paar Schnittchen, säuft sich einen kleinen Rausch an und verlässt die Versammlung im angenehmen Bewusstsein der eigenen Bedeutung.

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Juror Björn Woll überreicht Oksana Lyniv ihren Oper! Award.

(Foto: Björn Hickmann)

Der Klassik-Betrieb ist voll von solchen Lobpreisungen. Sängerin, Dirigent, Regisseurin, Intendant des Jahres – von alledem gibt es weit mehr, als es Jahre gibt. Wer ein bisschen Zeit und ein paar Euro übrig hat, ruft einen neuen „Award“ ins Leben. Der Ausgezeichnete dankt, der Auszeichnende sonnt sich im Glanz des Preisträgers, die Presse berichtet: das stabile Dreieck einer „mutual admiration society“. Preise lassen sich nicht nur an Einzelpersonen vergeben, sondern auch an Institutionen. Da sucht man das „nachhaltigste Opernhaus“, schreibt den „Preis der Musikverlage“ für besonders misstönende Uraufführungen aus oder gründet einfach, wenn man mit der jährlichen Kritikerumfrage der „Opernwelt“ nicht zufrieden ist, einen neuen „Oper! Award“. Den kriegt dann ein verdientes Opernhaus mit einer Begründung, die auf mindestens 40 andere Opernhäuser Deutschlands auch zutreffen würde, aber das geehrte Theater kann sich schmücken und richtet auch gleich die Preisverleihung aus. Die Preisenden dürfen in Interviews verbreiten, warum ihr Preis ganz anders und viel wertvoller ist als alle anderen Preise ähnlicher Art.

Wer einen solchen Preis braucht? Niemand natürlich. Aber man hat wieder ein bisschen Luft zum Scheppern gebracht. Alle mal herhören: Ich rufe einen Award-Award für den sinnlosesten Preis im Klassik-Zirkus aus. Preisgeld ist das Honorar für diese Kolumne, die feierliche Preisverleihung findet in meiner Stammkneipe um die Ecke statt. Irgendwelche Vorschläge?

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