THE SOCIETY OF MUSIC: 2. November 2022

Zeit der Wettbewerbe

Zurück
Charlotte Gardner
Charlotte Gardner
02.11.2022

Regelmäßige Leser*innen meiner Kolumne werden wissen, dass ich internationale Musikwettbewerbe aufmerksam verfolge, sei es vor Ort oder aus der Ferne. In diesem Monat geht es noch ein bisschen mehr um Wettbewerbe als sonst – und um ein paar neue Erfahrungen und Beobachtungen.

Beginnen wir damit, dass die Pressemitteilungen vom Cliburn International Amateur Piano Competition in meinem E-Mail-Postfach gelandet sind. Dieser alle vier Jahre stattfindende Wettbewerb wurde 1999 auf Geheiß der verstorbenen Nela Rubinstein, der Ehefrau des legendären Pianisten Artur Rubinstein, gegründet. Er setzt sich für die Bedeutung des Musizierens im Alltag ein, indem er ein Wettbewerbsforum bietet – im Rahmen von sieben Tagen mit Aufführungen, Symposien und sozialen Events – für nicht-professionelle Pianisten ab 35 Jahren aus der ganzen Welt, die ihr Geld weder mit dem Klavierspielen noch mit dem Klavierunterricht verdienen. Ich weiß nicht, warum sich die Veranstaltung in diesem Jahr in mein Radar eingebrannt hat. Wahrscheinlich, weil die PR einen Gang hochgeschaltet hat. Wie auch immer, ich war unerwartet bewegt und voller Bewunderung, als ich gelesen habe, wie Jon Lee, ein 41-jähriger Software-Ingenieur aus den USA, dieses Jahr den ersten Platz belegt hatte, gefolgt vom 71-jährigen pensionierten Neuroophthalmologen Michael Slavin (USA) auf dem zweiten Platz und der 46-jährige Marketingleiter Xavier Aymonod aus Frankreich auf dem dritten Platz. Ich bewundere es, in der Lage zu sein, neben dem Beruf auf diesem Niveau eine Leistung zu erbringen und sich dann einem internationalen Wettkampf zu stellen. Mich bewegt es sehr, dass sie die Möglichkeit haben, in der Heimat des historischen Van Cliburn-Wettbewerbs zu spielen.

Sonja Werner 5426

Charlotte Gardner hat zwei besondere Erfahrungen mit Klavierwettbewerben gemacht.

(Foto: Sonja Werner)

Die zweite Erfahrung ist eine sehr aktive, denn wenn Sie diesen Text am Mittwoch der Veröffentlichung lesen, dann werde ich morgen Abend in der Victoria Hall in Genf auf der Bühne stehen, um das Finale des Concours de Genève zu moderieren. Tatsächlich schreibe ich gerade im Flugzeug aus Genf, wo ich die Semifinalisten für die Jury zu ihren vorgeschlagenen besonderen Projekten interviewt habe. Eine brandneue Erweiterung für das Semifinale in diesem Jahr, bei dem jede*r Pianist*in ein ausgedachtes Projekt vorschlagen und verteidigen muss. Sollten sie gewinnen, hilft der Wettbewerb bei der Verwirklichung der Idee. Was für ein nützliches und möglicherweise aufschlussreiches neues Element für einen Wettbewerb! Hier wird von den angehenden jungen Solist*innen verlangt – wenn in der realen Welt das gute Beherrschen des Instruments nur die Grundvoraussetzung ist – etwas Eigenes mitzubringen und aktiv darüber nachzudenken, wie sie wirklich mit dem Publikum in Kontakt treten können. Obwohl ich zum ersten Mal überhaupt bei einem Wettbewerb mitgearbeitet habe, anstatt darüber zu berichten, muss ich sagen, dass, wenn ein Wettbewerb davon spricht, das Beste für jede*n seiner Künstler*innen zu wollen: Der Concours de Genève meint es wirklich ernst. Ein Wettbewerb ist unbestreitbar eine Stresssituation, die nicht jede*r junge Musiker*in durchstehen kann. Aber für diejenigen, die es tun, die den richtigen Wettbewerb auswählen, können die Belohnungen in Bezug auf die musikalische, persönliche und berufliche Entwicklung und das Knüpfen neuer Beziehungen reich sein. Der Concours de Genève fühlte sich wie eine kleine, fürsorgliche Familie an, und ich persönlich feuere jede*n der neun charmanten, nachdenklichen und begabten Pianist*innen an, die ich interviewt und gecoacht habe. ¶

2.000+ ausgewählte Videos
Regelmäßige exklusive Live-Konzerte aus aller Welt
Täglich neue Musik-Geschichten
Konzertführer
CD-Empfehlungen
Keine Werbung