THE SOCIETY OF MUSIC: 6. Oktober 2021

Schöpferisch

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Charlotte Gardner
Charlotte Gardner
06.10.2021

Im Grunde genommen ist dies hier ein Tagebucheintrag. Der Tagesbericht einer Journalistin vom letzten Dienstag, der zwei vollkommen gegensätzliche Gedanken zum Thema Schöpfung in den Sinn kamen.

Der erste entstand aufgrund eines Tweets des Associated Board on the Royal Schools of Music, der berühmtesten Prüfungskommission für Musik Großbritanniens: “Beim Üben geht es darum, wie gut du bist – und wie gut du sein kannst. Dieses Erfolgserlebnis wird durch Bewertungen getestet, die uns intrinsisch motivieren, uns zu verbessern. Das ist der positive Kreislauf der Motivation.” Das ist zu diskutieren, was Twitter ordnungsgemäß tat; und auch wenn Twitter auch nicht für die Argumentation, das Maß und die Nuancen der dort stattfindenden Online-Debatten berühmt ist, auch wenn, um ehrlich zu sein, das ABRSM den Tweet etwas attraktiver hätte formulieren können, hat diese Debatte nicht mit den Konventionen gebrochen. Unweigerlich kamen die meisten Antworten von Leuten, die über diese angeblich archaische, Freude-zerstörende Haltung empört waren – und behaupteten, dass Prüfungen dafür verantwortlich seien, den Spaß an Musik von Kindern zu zerstören, weil sie monatelang an denselben drei Stücken arbeiteten; dass das Musizieren vor allem dem Vergnügen dienen sollte; dass es gesünder sei, den Prozess zu genießen, anstatt sich auf Ziele zu konzentrieren. Was mich betrifft (ich habe mich aus dieser wütenden Diskussion herausgehalten – das Leben ist zu kurz), stimme ich zu, dass Prüfungen nicht alles sind. Gleichzeitig denke ich: Wenn man sich im Musikunterricht derart unwohl fühlt, das nicht die Schuld eines Prüfungsausschusses sein kann. Etwas anderes läuft dann schief. Ich habe alle ABRSM-Prüfungen selbst gemacht und beobachte meine Tochter jetzt dabei, wie sie die Prüfungen absolviert. So wie ich das erlebe, arbeitet sie nicht ausschließlich mit ihren Lehrern an Prüfungsstücken, und wir nehmen die Ergebnisse nicht allzu ernst. Die Prüfungen haben ihr jedoch alle möglichen guten, interessanten Ecken des Repertoires aufgezeigt; sie dazu gebracht, bestimmte theoretische und klangliche Fähigkeiten zu beherrschen, die sie zu einer kompetenten und selbstbewussten Ensemblemusikerin gemacht haben, obwohl ihr Hauptinstrument nicht gerade zahllose Ensemblemöglichkeiten bietet (es ist die Blockflöte). Es gibt regelmäßige Aufführungen, auf die hingearbeitet wird; sie erfährt so auch den Umgang mit Leistungsdruck – plus die Freude und das Vertrauen, die mit einer messbaren Leistung in Form eines Zertifikats einhergehen. Zweifellos waren die Prüfungen eine motivierende Kraft. Also ja, Prüfungen sind nicht der einzige Weg, kompetente, glückliche Musiker*innen hervorzubringen, aber sie sind auch nicht dafür verantwortlich, diese Schöpfung im Keim zu ersticken.

Creacion de Adam

Die Schöpfung: Die Erschaffung Adams.

(Foto: Public Domain)

Spulen wir vor zum Dienstagabend. Die Stimmung war deutlich positiver, denn ich war im Londoner Barbican, die Academy of Ancient Music eröffnete ihre neue Saison mit Haydns Schöpfung unter ihrem neuen Chefdirigenten Laurence Cummings. Eine großartige Aufführung. Erstens hätte die Wahl von Haydns Schöpfung nicht treffender sein können, da die ganze Welt versucht, von Covid wieder auf die Beine zu kommen – und sich dem eigenen Einfluss auf die Umwelt stellt. Zweitens war ich einfach glücklich über die wundervolle Ernennung Cummings – und ihre Früchte dieser Entscheidung waren in der Schönheit, Klasse, Wärme, Tiefe und Schwung des Spiels und Gesangs offensichtlich. Es gab auch einige Leckerbissen. Musikalisch wurden die Rezitative von einem originalen Broadwood-Hammerflügel aus dem Jahr 1801 begleitet; warm, hell, farbenfroh und frisch, es klang fabelhaft. Dann wurde die Aufführung von Projektionen der Videokünstlerin Nina Dunn begleitet. Im Vorfeld war ich nicht sicher, ob diese Idee das musikalische Erlebnis wirklich ergänzen oder eher abschwächen würden – am Ende war es eher ersteres. Es waren bildgewaltige Kreationen, die mit Bildern aus der Natur spielten, die perfekt zum Libretto passten, ohne jemals zu stumpf wörtlich zu wirken. Obwohl Haydns Schöpfung keine zusätzliche Ausstattung braucht, um für unsere Zeit relevant zu sein, war dies sicherlich eine Aufführung, die sich ausgesprochen frisch, neu, zum Nachdenken anregend und erhebend anfühlte. Ich kann meine nächste Live-Dosis der AAM und Cummings kaum erwarten. ¶

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