THE SOCIETY OF MUSIC: 1. März 2023

Dankbarkeit

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Charlotte Gardner
Charlotte Gardner
01.03.2023

Eine Frage. Wenn Sie ein Konzert besuchen, wie sehr sind Sie sich dann nicht nur Ihrer Wahrnehmung bewusst, sondern auch der möglichen Auswirkung, die Ihr Verhalten auf die Musikerinnen und Musiker hat? Und nein, dabei geht es nicht um Husten oder Telefonieren, sondern um ihre Haltung gegenüber und Reaktion auf die Ausführenden und ihre Musik. Ich selbst habe erst kürzlich darüber nachgedacht als ich ein Konzert junger Künstlerinnen und Künstler besucht habe.

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Je kleiner das Publikum, desto größer die Verantwortung.

(Foto: Public Domain)

Es geht hier nicht um Namen und Orte. Aber das Konzert fand in einer wunderschönen, kleinen Kapelle statt. So winzig, dass sie mit gerade einmal fünfzig Personen bis auf den letzten Platz gefüllt war. Für das Publikum bedeutete dies ein fabelhaft intimes, hautnahes Hörerlebnis. Jeder Ton und jede noch so kleine Bewegung kann an einem solchen Ort in leuchtender Farbe wahrgenommen werden, und das umso mehr, wenn man in einer der wenigen vorderen Kirchenbänke sitzt und den Musizierenden quasi direkt unter die Nase schauen kann. Aufpassen muss man nur, wie viel man sich bewegt, denn die Holzbänke dieser Kapelle knarren wie verrückt, und der Holzboden scheint das Geräusch von allem, was mit ihm in Berührung kommt, noch zu verstärken. Der entscheidende Punkt: Die Interpretinnen und Interpreten erhalten natürlich einen ebenso lebendigen, hautnahen Eindruck von ihrem Publikum.

Nachdem einer der Musiker seinen letzten Akkord spielte und der Applaus einsetzte, hätte es nicht offensichtlicher und störender sein können, als vielleicht zehn Leute aus den ersten Reihen sofort aufstanden und sich auf den Weg nach draußen machten. Stellen Sie sich diese Szene nur einmal vor. Anhaltendes Knarren und Ächzen der alten Kirchenbänke, als die ersten aufstanden und dann ihre Nachbarn nach und nach mitzogen. Das Getrappel, das durch die Gänge schallt. Es schien schlichtweg bizarr, als sich plötzlich eine entvölkerte Fläche auftat zwischen dem Solisten und einem Großteil des Publikums, das noch immer beharrlich applaudierte.

Das Konzert war absolut beeindruckend, so dass diese plötzliche Abwanderung ganz und gar kein Zeichen von Missfallen oder Enttäuschung gewesen sein kann. Diese Leute hatten vermutlich einfach beschlossen, das Konzert sei vorbei. Sie hatten ihre Unterhaltung und konnten jetzt gehen. Die Mittzwanziger, die ganz vorne standen, bewahrten ihre Haltung … aber mein Herz schlug dennoch für sie. Es erinnerte mich daran, wie wichtig, vielleicht sogar entscheidend jeder einzelne öffentliche Auftritt ganz am Anfang einer Karriere sein kann. Dieses besondere Konzert war in der Tat wichtig, und das trotz des scheinbar unauffälligen Veranstaltungsortes. Genauso wenig sollte man vergessen, dass die Art und Weise, wie man von einem Publikum aufgenommen wird, auch eine Bedeutung für die Haltung haben wird, mit der man vor das nächste tritt.

Ich gehe davon aus, dass nur sehr wenige Menschen, die diese Kolumne lesen, das Konzert einer jungen Künstlerin oder eines jungen Künstlers (oder überhaupt irgendein Konzert) demonstrativ verlassen haben als es Zeit war zum Applaudieren. Doch es gibt noch einen weiteren Punkt, der sich hier erkennen lässt: Die meisten von uns werden irgendwann einmal als Konzertbesucher eine Musikerin oder einen Musiker zu hart beurteilt und entsprechend vielleicht etwas kleinlich geklatscht oder ein enttäuschtes oder schmerzliches Gesicht gemacht haben. Das gilt vor allem für diejenigen, die sich laut Berufsbezeichnung Kritikerin oder Kritiker nennen: Wenn mir das Gehörte nicht ganz so gut gefällt, dann muss ich anschließend faire, angemessene Worte finden, um zu erklären, warum nicht. Doch wenn wir Musik wirklich lieben, wenn wir unsere Mitmenschen mit all ihren Stärken und besonders ihren Schwächen lieben und wenn wir wollen, dass die Musikerinnen und Musiker sich darauf freuen, wieder auf die Bühne zu gehen, dann haben wir ein Geschenk erhalten, auf das es nur eine akzeptable Antwort gibt – und die ist, lange genug zu bleiben, um ein angemessenes „Danke“ zu sagen. ¶

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