Es ist ein Jahr her, da habe ich in dieser Kolumne über verheißungsvollen Zeichen geschrieben, dass nämlich der Konsum von klassischer Musik wächst – vor allem im Vereinigten Königreich. Ich wollte Zeichen entdeckt haben, wie etwa der Anstieg von Verkäufen und Streams klassischer Musik für 2018 auf über 10 Prozent. So hatte es die British Phonographic Industry in ihrem Jahresreport dargestellt. Ein anderes Zeichen war der Start vom „La Scala-Radio”, durch den nun im Vereinigte Königreich drei auf klassische Musik spezialisierte Radiosender senden.
Sheku Kanneh-Mason: Schon jetzt am Anfang seiner Karriere ein Rekordbrecher.
(Foto: Jake Turney)Heute muss ich das Thema noch einmal ansprechen, nachdem im Januar Sheku Kanneh-Mason der erste Cellist der Geschichte wurde, der einen Sprung unter die ersten zehn Plätze bei den UK Official Album Charts schaffte. Gelungen ist ihm das mit Elgars Cellokonzert, das er für die Decca aufgenommen hat. Gleichzeitig hat diesen Februar die RAJAR (Radio Joint Audience Research) Statistiken veröffentlicht, dass Classic FM in 2019 59.000 Hörer in der Altersgruppe 10 bis 24 Jahren neu hinzugewinnen konnte.
Wenn es nun also so ist, dass vor allem junge Hörer für dieses Wachstum verantwortlich sind (denn erinnern wir uns daran, dass das Streamingpublikum zum größeren Teil aus jüngeren Menschen besteht), und wenn diese junge Generation eine bedeutende Zeit online verbringt, dachte ich, dies wäre ein guter Moment für ein bisschen Spaß. Deswegen: meine Favoriten aus der heutigen Unmenge von klassischem Clickbait, dem Ködern von Klicks.
Es gibt einen Trend bei klassischen Künstlern, Musikvideos im Stil der Popmusik zu produzieren. Große Namen bei großen Labels gehen diesen Weg, wie auch Kanneh-Mason selbst. Zum Beispiel hier mit seinem Schwan-Video, der Single des Debut-Albums Inspiration.
Doch nicht nur die Major-Labels probieren diesen Ansatz. Tatsächlich bewundere ich den Aufwand, den die junge lettische Geigerin Christine Balanas aufbringt – für pure Eleganz in jeder Richtung.
Weiter zur Comedy. Ganz oben stehen TwoSet Violin, das Duo der australischen Violinisten Brett Yang und Eddy Chen. Einiges ist herrlich albern. Anderes aufrichtig bestechend, wie etwa ihr Niedermachen vom angeblich „schnellsten Violinisten der Welt”.
Dann gibt es diese besonderen, magischen Momente, neuerdings durch Smartphones in Konzertsälen eingefangen. Hier der Moment, als eine heldenhafte Umblätterin das Kammerkonzert von Christian Tetzlaff und Lars Vogt gerettet hat...
... oder, wie cool Ray Chen auf der Bühne mit einem Saitenriss umgeht...
... oder auch, wie das Gustav Mahler Youth Orchestra in einer Probe von Dvořáks Cellokonzert dem Solisten Gautier Capuçon einen Streich spielte.
Klar ist aber: Der Zuwachs bei den jüngeren Hörern hat mehr Ursachen als das klassische Clickbaiting, nicht zuletzt die Tatsache, dass beim Streaming klassische Musik nicht wie bei Läden in die Kellerräume verbannt wird, sondern direkt in einer Playlist neben Taylor Swift steht. Aber sicher, kein Wunder, dass das Internet mit vielen pfiffigen Angeboten klassischer Musik neue Zuhörerschaften erreichen, die mögen, was sie sehen. ¶