Über den verderblichen Einfluss der Deutschen auf die englische Musik ist viel gesprochen worden, seit der Deutsche Georg Friedrich Händel London in seinen Bann schlug und danach fast 200 Jahre lang kein britischer Komponist von Weltruhm mehr auftauchte. Ende des 19. Jahrhunderts änderte sich die Musiklandschaft auf der Insel: Die Generation von Ralph Vaughan Williams, Edward Elgar und Gustav Holst verankerte das Königreich neu auf der internationalen musikalischen Landkarte. Mit dabei war auch ein Komponist, dessen Eltern aus Bielefeld eingewandert waren: Frederick Delius.
Delius im Porträt.
Dem Land seiner Vorfahren stand Fritz Delius, wie er sich noch bei seinem ersten Londoner Konzert 1899 nannte, zeitlebens skeptisch gegenüber. Musikalisch fühlte er sich Mozart und Beethoven weniger verbunden als Chopin und Grieg, bei dem er schließlich auch studieren durfte – in Deutschland. Bis er so weit war, musste er zuerst den Widerstand seines Vaters überwinden. Julius Delius wollte aus seinem Sohn einen Kaufmann machen, wie er selbst es war. Als er sich im väterlichen Unternehmen als eher ungeeignet erwies, schickte der Vater Fritz nach Florida, um dort mit einer Orangenplantage Geld zu verdienen; oder war es die Idee des Sohnes, um dem väterlichen Einfluss zu entkommen? Jedenfalls blieb Fritz’ Leidenschaft für Orangen beherrschbar, während die für die Musik unaufhörlich wuchs. Aus Amerika nahm er auch weniger klassische Einflüsse mit, die Musik der Hafenarbeiter und die Spirituals der schwarzen Landarbeiter.
Inspiriert von Orangen? Wohl eher nicht.
Zurück in Europa, verschlug es ihn dann doch nach Leipzig, wo er sich ins Musikleben der Stadt stürzte und am Konservatorium studierte, unter anderem beim bewunderten Grieg. Auch die ersten großen Aufführungen seiner Stücke fanden in Deutschland statt. Delius aber zog Paris als Lebensmittelpunkt vor. 1903 heiratete er die Malerin Jelka Rosen und zog mit ihr nach Grez-sur-Loing südlich von Paris, wo er mit einer Unterbrechung im Ersten Weltkrieg den Rest seines Lebens verbrachte.
Beharrlich arbeitete Delius an der Verbreitung seiner Werke. Einen unschätzbar wertvollen Partner fand er im Dirigenten Thomas Beecham. Er sorgte dafür, dass Delius’ Werke nicht nur in Deutschland, wo der Komponist bis 1914 sehr populär war, sondern auch in seiner Heimat aufgeführt wurden. Ein Bewunderer, der Komponist Philip Heseltine, schrieb über Delius:
»Es kann keinen oberflächlichen Blick auf Delius’ Musik geben: Entweder fühlt jemand sie im Innersten seines Wesens, oder überhaupt nicht.«
Als Delius und Jelka nach Kriegsende nach Frankreich zurückkehrten, zeigten sich bei ihm die ersten Symptome der Syphilis, mit der er sich in seinen Pariser Jahren infiziert hatte. Die Krankheit setzte ihm furchtbar zu, aber sie hinderte ihn nicht am Komponieren. Unbeirrbar arbeitete Delius an seinem Werk: Opern, Schauspielmusik, Solokonzerte, eine Messe, ein Requiem, beide nicht christlich, sondern aus dem Geist des Humanismus entstanden. Als er seine Musik nicht mehr selbst schreiben konnte, fand er in Eric Fenby einen jungen Komponisten, der ihm zur Hand ging. 1934 starb Frederick Delius in Grez. Er war zu einer Lichtgestalt der englischen Musik geworden. ¶