Musikgeschichten: 14. Juni (1832)

Der Mittelfinger von Robert Schumann

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Malte Hemmerich
Malte Hemmerich
14.06.2019

Liest man über das Leben von Robert Schumann, sind die Probleme meist nicht weit. In hunderten Briefen und Dokumenten erfahren wir unter anderem etwas über seine Höhenangst und seine psychische Labilität am Lebensende ist allgemein bekannt. Doch das alles ist nichts gegen das Problem, welches Roberts ganzes Leben bestimmen sollte.

Um 1830 ist es sein Ziel Starpianist zu werden, das Virtuosentum ist in voller Blüte und Paganini in aller Munde. Der junge Schumann hatte schon immer gemerkt, dass sein Mittel- und Zeigefinger der rechten Hand auffallend weniger Kraft hatten. Nun versuchte er dieses Problem mit zu der Zeit üblichen Fingerstärkungsmaschinen aus der Welt zu schaffen. Später berichtet er von einer eigenen Konstruktion, die den Mittelfinger hochzog, während alle anderen Finger auf der Tastatur blieben.

Fingerstarkungsmaschiene 16 9

Zeichnungen von Emile Beau aus "L'anatomie de la main", Paris 1846

(Foto: Public Domain)

Und während der junge Schumann sein Leben noch in vollen Zügen genoß steigert sich das exzessive Üben nun in einen Wahn, der seinen Fingern nicht gut bekommt. Das Dehnen, Strecken und Biegen der Finger stärkt sie keineswegs, könnte sogar dazu geführt haben, dass Schumanns Mittelfinger eine Zeit lang komplett gefühllos wird. Am 14. Juni 1832 schreibt er in sein Tagebuch:

»Der dritte (Finger) ist vollkommen steif.«

Glücklicherweise kein Dauerzustand, aber seine pianistische Karriere kann Schumann vergessen. Mit dem Komponieren klappte es jedoch dann ja erwiesenermaßen ganz gut. Was aber war der Grund für Schumann schwache Finger und vielfältigen Handprobleme? Die Medizin geht heute davon aus, dass der Musiker unter einer lokalen Dystonie litt, einem Musikerkrampf. Ein Problem, das auch in der Nachwelt viele Musiker betraf, unter anderem Glenn Gould, das aber in den Griff zu kriegen ist, wenn man nicht gerade mit Dehnungstechniken experimentiert.

Schumann wusste sich auch zu helfen und fuhr die Vermeidungstaktik. Seine sehr virtuose Toccata beansprucht alle Finger aufs Höchste – bis auf den Mittelfinger der rechten Hand, die schumannsche Achillesverse. ¶

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