Musikgeschichten: 25. März (1918)

Claude Debussys Beisetzung unter Bombenbeschuss

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Bennet Seiger
Bennet Seiger
25.03.2023

»Die Natur ist mitleidlos gegen ihre Geschöpfe.«

Was für ein pessimistisches Resümee. Geschrieben hat es Claude Debussy, der in seinen letzten Lebensjahren unter höllischen Schmerzen leiden musste – und schließlich mit nur 55 Jahren verarmt zugrunde ging. Im Mai 1909 bekam er sein düsteres Todesurteil: aggressiver Darmkrebs. Bereits 1915 war dieser so weit fortgeschritten, dass Debussy sich unter Qualen operieren ließ – und damit alles noch schlimmer machte.

Debussy schlafend 16 9

Claude Debussy schlafend, ca. 1900.

(Foto: Adoc/Corbis)

Im Juni 1916 dann ein kurzer Hoffnungsschimmer: Eine Radiumbehandlung verspricht Besserung. Doch auch das führt zu schweren Komplikationen, er verträgt dieses “interessante Erz” nicht, wie er es selbst nennt. Debussy ist wie im künstlerischen Koma, verdient kein Geld mehr; zusätzlich erkranken im Spätsommer 1916 Frau und Kind an Mumps. Nie kommt er zur Ruhe: Die Trompete am Kasernenhof treibt ihn fast in den Wahnsinn, Regen kommt ihm vor wie tausend kleine Trommeln, die von Zwergen geschlagen werden. Und dann ist es mit der ersehnten Ruhe ganz vorbei: Am 23. März 1918 beginnen die Deutschen aus der Ferne mit dem sogenannten Paris-Geschütz der Firma Krupp die französische Hauptstadt mit rund 800 Granaten zu bombardieren.

Einschlag in der St. Gervais Kirche in Paris vom 29. Maerz 1918 16 9

Einschlag einer “Paris-Geschütz”-Granate in der Kirche St. Gervais in Paris.

(Foto: Public Domain)

Debussy schafft es nicht mehr, sich in den Keller zu retten. Zwei Tage muss er den Beschuss ertragen, bis er am 25. März 1918, kurz vor Mitternacht, stirbt. Sein Freund René Valléry-Radot berichtet von diesem Augenblick:

»Er war abgezehrt, der Blick in weite Fernen verloren. Seine Hände zitterten. Er lächelte mir zu, als käme er aus einem Traum und sagte mir ein paar liebevolle Worte. Dann schlugen die Nebel wieder über seinem Geist zusammen.«

Drei Tage später soll die Beisetzung auf dem Künstlerfriedhof Père Lachaise stattfinden, doch der Trauerzug entwickelt sich zu einem Spießrutenlauf. Nur 20 Trauergäste trauen sich überhaupt auf die Straßen, der Sarg musste quer durch die Stadt getragen werden. Unter “dem Dröhnen und Donnern deutscher Flakgeschütze” wird er schließlich zu Grabe getragen.

Der zweite Satz der letzten Sonate Debussys.

Sein letztes Werk, die Sonate für Violine und Klavier, stellte er 1917 fertig. Mit ihr und zwei weiteren Sonaten will Debussy noch kurz vor Schluss ein Statement setzen: Er besinnt sich auf Rameau, die musique française, die er als musicien français schreibt. Ein stolzes, nationales Bekenntnis gegen die verhassten “Austro-Boches”, die ihm am Ende sogar die letzte Ruhe stören sollten. ¶

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