Musikgeschichten: 20. Juli (1940)

Billboard an Board!

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Bennet Seiger
Bennet Seiger
20.07.2018

Was in den sogenannten “Top 10”, den “Charts” ganz oben steht, ist nicht immer geniale Musik. Aber sie ist populär, massentauglich und verkauft sich prächtig. Viele Menschen, vor allem in der nicht E-Musik, verlassen sich auf diese Hitlisten. Andere verachten diese Rankings als musikalisches Mastfutter. Wie auch immer man dazu steht: Am 20. Juli 1940 veröffentlicht das amerikanische Billboard Magazine die ersten Music Popularity Charts und verändert damit das Musikbusiness nachhaltig.

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Die 1894er Erstausgabe des Billboard-Magazins.

Das Billboard Magazine wurde schon 1894 gegründet. Am Anfang befasste sich das Blatt noch mit der Ankündigung von Zirkussen, Kabarettveranstaltungen, Burlesque-Shows – und entwickelte ein Benachrichtigungssystem, um Werbung für umherwandernde Künstler zu machen.

Bald wurde jedoch der Musikanteil in der Zeitschrift immer größer, was den technischen Verbesserungen im Aufnahmebereich geschuldet war. Das Magazin machte die Musikindustrie bald zum Mittelpunkt aller Berichterstattung. Im Januar 1936 folgte die Veröffentlichung der ersten Hitparade, im Juli 1940 dann die ersten “Charts”, wie wir sie auch heute noch kennen. Frank Sinatra war die allererste Billboard-Nummer 1, mit I’ll Never Smile Again. 12 Wochen hielt sich der Song an der Spitze, vom 27. Juli bis 18. Oktober 1940. Abgelöst wurde Sinatra von Bing Crosby.

Sinatras erste Nummer 1: I’ll Never Smile Again.

Jahrelang war das System der Billboard-Charts simpel: Ein Album oder eine Single mussten physisch im Laden gekauft werden, um in die Rechnung einzufließen. Dazu füllten die Läden und Sender Berichte aus, die das Magazin dann auswertete. 1990 wurde dann ein neues System eingeführt, der Nielsen Soundscan: Ein Verkauf wird elektronisch registriert, sobald der Barcode über die Kasse gezogen wird. Dazu werden auch noch die Radioausstrahlungen der Songs ausgewertet. Doch die Wirklichkeit hat sich verändert, das ist kein Geheimnis mehr: Seit 2005 fließen auch die Informationen zu bezahlten Musikportalen, Downloads und Streaming ein.

Auch für das Genre “Klassische Musik” gibt es amerikanische Billboard-Charts. Ob die wirklich repräsentativ sind, steht auf einem anderen Blatt: Die Parameter für den Erfolg eines Albums mit dem reichlich diffusen Label “Klassik” sind variabler als in der Popmusik.

Klassik-Easy-Listening: Max Richters “The Blue Notebooks”.

Also wundert es nicht, dass vor allem Crossover-Platten und seichtere Kaliber die “Klassik-Charts” anführen: Die “Beach Boys” feat. Royal Philharmonic Orchestra, die Band “Foreigner” mit dem 21st Century Symphony Orchestra & Chorus oder “The Indigo Girls” feat. University Of Colorado Symphony.

In Deutschland ermittelt das Marktforschungsinstitut GfK die “offziellen” Klassikcharts. Auch hier: große Namen, viel Konzeptalbum und reichlich Easy Listening: Jonas Kaufmann, Anna Netrebko, Max Richter und Ludovico Einaudi. Erlaubt ist eben, was gefällt. ¶ 

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