Musikgeschichten: 12. Juni (1849)

Angelica Catalani: Die Engelsstimme verstummt

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Georg Holzer
Georg Holzer
12.06.2018

Italiener, so weiß man, sind katholisch und lieben die Oper. Am ersteren ändert sich bis heute wenig, die Liebe zur Oper dagegen ist etwas abgeflaut, seit der italienische Staat die Opernhäuser kaputt spart. Wie die Geschichte der kleinen Angelica Catalani zeigt, gingen Katholizismus und Liebe zum Gesang nicht immer harmonisch zusammen: Sie, das kleine Wunderkind aus dem Adriastädtchen Senigallia in den Marken, durfte in einem Kloster in Gubbio mit den Nonnen singen, sang aber so schön, dass ihr die Besucher der Messe applaudierten. Deshalb gab es für die kleine Angelica ein Auftrittsverbot zumindest an hohen Feiertagen.

Sieht man sich die Biografie der Sopranistin an, scheint das aber beinahe der einzige Rückschlag in ihrer Karriere gewesen zu sein. Angelica Catalanis Leben war ein einziger Triumph. Über ihr Heimatland Italien wuchs sie schon mit 25 Jahren hinaus: Nachdem sie die großen italienischen Opernstädte im Sturm der Publikumsbegeisterung genommen und über das Schicksal so manchen Werks zu seinen Gunsten entschieden hatte, bat man sie an den portugiesischen Hof nach Lissabon.

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(Foto: Public Domain)

1807 ging es weiter nach London, wo sie Miss Billington, die Primadonna der Insel, in die Flucht schlug, wie die Augspurgische Ordinari Postzeitung berichtete:

“Miß Billington, freylich etwas wohl beleibt und schon stark in den Dreißigern, raffte alle ihre Kunst zusammen, um einer gefährlichen Nebenbuhlerin den Vorzug streitig zu machen. Vergeblich; Catalani zeigt sich mehr und mehr nicht allein als die vollendetste Sängerin, sondern auch als die gewandteste Schauspielerin. Miß Billington fühlt nun selbst diese Ueberlegenheit, und will sich wenigstens auf so lange, bis die gefährliche Catalani England wieder verläßt, in die ländliche Verborgenheit zurück ziehen.”

Einen großen Stimmumfang soll sie nicht besessen haben, ganz im Gegenteil. Aber sie verband wohl einen sehr schönen Stimmklang mit einem für ihre Zeit ungewöhnlichen darstellerischen Talent. Angelica muss auf der Bühne witzig, frech und anrührend gewirkt haben, sodass ein französischer Kritiker schrieb:

»Madame Catalani ist nur mit sich selbst zu vergleichen.«

Alles, was sie anfasste, gelang. Sie feierte künstlerische Erfolge, kassierte märchenhafte Gagen – von denen sie einiges wieder an Bedürftige verteilte –, heiratete einen französischen Militär und hatte drei Kinder. Nur einmal langte sie daneben: Nach dem Sturz Napoleons machte sie der zurückgekehrte Bourbonenkönig Ludwig XVIII. zur Intendantin des Théâtre-Italien. Dort war sie eine Fehlbesetzung, weil sie den Spielplan zu sehr nach sich selbst ausrichtete, sich eine Fehde mit einer Sopran-Konkurrentin lieferte und ihrem angeblich herrsch- und habsüchtigen Ehemann zu viel Einfluss einräumte. Nach knapp vier Jahren war das Defizit so groß, dass man sie 1818 wieder vor die Tür setzte. Angelica nahm es nicht zu schwer, trat bis 1827 auf und zog sich dann auf ein Landgut bei Florenz zurück, um ihren Wohlstand zu genießen. Auch ihre Wahlheimat Paris besuchte sie immer wieder. Leider einmal zu oft: Am 12. Juni 1849 starb sie dort an der Cholera. Doch da durfte sie, fast 70-jährig, auf ein glänzendes Sängerinnen-Leben zurückblicken. ¶

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