Jean Guihen-Queyras war lange Zeit Mitglied in Boulez' Ensemble Intercontemporain – Neues auszuprobieren liegt ihm wohl im Blut. Das Programm der Einspielung kommt etwas arg konventionell daher, die Interpretation aber eben nicht. Queyras weiß Farben, Schattierungen und Stimmungen aus seinem Instrument zu locken – da klingen selbst wahre Gassenhauer neuartig.
Weiterführende Links
Elgar: Cellokonzert e-Moll op. 85
Tschaikowsky: Rokoko-Variationen A-Dur op. 33
Pjotr Iljitsch Tschaikowsky komponierte seine Variationen über ein Rokokothema für Violoncello und Orchester bereits im Winter 1876, als er noch am Moskauer Konservatorium Musiktheorie lehrte. Im Unterschied etwa zu der elf Jahre später entstandenen vierten Orchestersuite, der sogenannten Mozartiana, in der Tschaikowsky Mozartsche Originalkompositionen bearbeitete, handelt es sich bei dem vorliegenden Werk um eine vollständige Eigenkomposition Tschaikowskys. Selbst das authentisch klingende Variationsthema ist eine eigene Invention des Komponisten in Rokokomanier, das trotz seines strengen metrisch-harmonischen Baus alle typischen Merkmale der modernen musikalischen Sprache Tschaikowskys aufweist. Die Variationen bestätigen dann vollends, dass wir es hier mit einem virtuosen romantischen Konzertstück zu tun haben. Nur die erste Diminuendo-Variation verbleibt dabei innerhalb des traditionellen Rahmens und hält sich streng an die Gliederung des Themas, während alle folgenden Variationen reine Charakterstücke sind, die das Thema völlig frei motivisch weiterverarbeiten. Ebenso entspricht die Behandlung des Soloinstruments nicht der klassischen Tradition, sondern spiegelt vielmehr den aktuellen Stand instrumentaler Virtuosität und der extrem erweiterten Ausdrucksmöglichkeiten wider. Technisch gehört der Solopart zum Diffizilsten, was für das Violoncello jemals geschrieben wurde.
Dieses Werk ist also keine Stilkopie, sondern ein modernes einsätziges Cellokonzert, das die Variationenform, den Rondogedanken und die Technik der monothematischen Entwicklung zu neuartiger, eigenständiger Gestalt verbindet. Und immer wieder durchbricht die starke lyrische Kraft des Opernkomponisten Tschaikowsky den konzertant-virtuosen, lockeren Grundzug der Komposition. Dann vernehmen wir die ersten musikalischen Vorzeichen einer neuen Oper, des Eugen Onegin.
Attila Csampai