Weltersteinspielung des neuen Klavierkonzerts von Philip Glass! Erst im September 2017 hat es Simone Dinnerstein, für die Glass das Werk auch komponiert hat, mit dem Ensemble A Far Cry uraufgeführt. Nun liegt es auf CD vor. Glass bleibt sehr tonal in seinem neuen Werk, im dritten Satz kadenziert er sogar immer wieder über die gleiche, simple Harmonie. Insgesamt ein typisch Glass'sches Werk, viele Verläufe und Wendungen kommen einem sehr bekannt vor, besonders im ersten Satz. Über alle drei Sätze bleibt es sehr ruhig, ein Kontrast zum sehr bedächtigen zweiten Satz bleibt aus. Dem voran gestellt haben Dinnerstein und A Far Cry, die sich gemeinsam sehr gefühlvoll und so ausdrucksstark wie möglich dem neuen Stück widmen, Bachs 7. Cembalokonzert. Auf modernem Konzertflügel und modernen Streichinstrumenten klanglich an das Glass-Konzert angeglichen, wirkt es romantisch breit und voll. Innerhalb des Albums eine nachvollziehbare und passende Entscheidung.
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Bachs dreizehn Konzerte für ein oder mehrere Cembali mit Streichern und Basso continuo (einschließlich eines fragmentarischen, vierzehnten, BWV 1059) gehören ebenfalls zur Gattung des Concerto grosso. Allerdings sind sämtliche Konzerte (mit Ausnahme des in C-dur, BWV 1061) Bearbeitungen eigener oder fremder Ensemblekonzerte. Das Cembalo ersetzt die Soloinstrumente der Originalvorlage, meistens eine Solovioline, mit mehr oder weniger Veränderungen und weist mit der daraus bezogenen Soloautorität mehr auf das spätere Klavierkonzert als auf die italienische Concerto-Deszendenz. Gleichzeitig tritt aber hier das Cembalo in einer ureigenen Funktion des Tasteninstruments auf, nämlich als Darstellungsmedium für Musik anderer Herkunft.
Durch sie evolutioniert sich autonomer ‚Clavier‘-Satz mittels Assimilation fremder Elemente bis heute. Diese Tradition reicht von der ‚Intavolatur‘ der Tanz- und Vokalsätze am Beginn eigenständiger Klavierliteratur im 14.Jahrhundert über das Italienische Konzert Bachs, einer selbständigen Komposition für das Cembalo (das dort mit zwei Manualen den Solo-Tutti-Kontrast des Concerto nachbildet), bis zu den orchestralen Wirkungen in Beethovens Klaviersonaten. Bach fertigte diese Bearbeitungen wahrscheinlich für seine ‚bürgerliche‘ Kapellmeistertätigkeit im Leipziger ‚Collegium musicum‘, einer öffentlichen Konzertveranstaltung, deren Leitung er 1729 übernahm. Obwohl es also keine ‚Originale‘ nach heutigem Werkverständnis sind, haben sich viele davon als Zeugnisse für Bachs Bearbeitungskunst einen festen Platz im Repertoire erobert. Im Einzelnen handelt es sich um sieben Konzerte für ein Cembalo und Orchester (BWV 1052-1058), wovon besonders das erste in d-moll mit seinem mitreißenden Duktus bekannt wurde, drei Konzerte für zwei Cembali (BWV 1060-1062), zwei Konzerte für drei Cembali (BWV 1063-1064) und ein Konzert für vier Cembali (BWV 1065).
Sämtliche Konzerte sind dreisätzig; der letzte Satz des Konzerts für zwei Cembali, C-dur (BWV 1061) ist eine Fuge. Das Konzert D-dur (BWV 1054) geht auf das E-dur Violinkonzert (BWV 1042) zurück, das F-dur-Konzert (BWV 1057) auf das vierte Brandenburgische Konzert (BWV 1049), das g-moll-Konzert (BWV 1058) auf Bachs Violinkonzert a-moll (BWV 1041), das c-moll-Konzert für zwei Cembali (BWV 1062) auf das Konzert für zwei Violinen in d-moll (BWV 1043) und das a-moll-Konzert für vier Cembali (BWV 1065) schließlich auf das Concerto h-moll für vier Violinen von Vivaldi, op. 3 Nr.10. Die mutmaßlichen Urfassungen für fünf weitere Konzerte (BWV 1052, 1055, 105, 1060 und 1064) wurden in der neuen Bach-Ausgabe rekonstruiert.
Klaus Peter Richter